Alarm. Europa in ungeahnten Abhängigkeiten. Versklavt durch Gas und Öl. Hörig gemacht durch billige Ruderleiberln. Schutzlos US-Forderungen nach höheren Verteidigungsbudgets unterworfen. Wie konnte das geschehen – und vor allem, wer ist daran schuld?
SATIRE
„Kaum eine Talkshow kommt aus ohne dieses Thema. Erst der Krieg in der Ukraine hat anfangs die TV-Eliten, dann die Eliten, danach die 500Millionen-Bevölkerung Europas und später auch besorgte Volksvertreter in Österreich darauf aufmerksam gemacht, wie abhängig wir eigentlich sind.
Davor ist es uns gar nicht richtig aufgefallen, auf welch verschlagene Weise man uns kirre gemacht hat. Wer denkt sich denn etwas bei einem tadellosen shirt um 3,95 made in China? Schon inklusive poppigem Aufdruck!
Zwar billig, aber doch nicht geschenkt. Schließlich schneit es uns das Geld ja auch nicht. Raffiniert haben die Chinesen das schon gemacht. Eine Schiffsladung nach der anderen haben sie geschickt. Bis wir heute ohne solche Textilstandards fast nicht mehr leben können. Oder ohne Turnpatschen aus dem Land des Lächelns.
Noch ärger aber war ihr Schachzug den europäischen Autoerzeugern die halbe Jahresproduktion abzukaufen. Welches wohlmeinende Land macht denn so etwas?
Gut, die Russen sind natürlich vom gleichen Schlag. Billiges Erdgas, billiges Öl. Die haben gewusst, dass wir darauf hereinfallen werden. Jeder hat geglaubt Benzin um 1,20/l wäre teuer. Dass man dafür auch 1,997/l verlangen kann – jetzt wo sie uns in der Hand haben – das will einem ja gar nicht in den Kopf. Mit Nordstream 2 wollten sie uns zusätzlich unterjochen. Aber dann sind wir aufgewacht. Klar hätte es uns schon früher auffallen müssen. Warum hätte sich sonst Putin dauernd von europäischen Industrie-, Energie- und Politchefs abknutschen lassen sollen?
Foto NEUMI/pixelio.de
Aber nicht einmal vor den vermeintlich echten Freunden ist man sicher. Nicht nur, dass sie uns und sogar Angela abgehört haben. Vermutlich lauschen sie auch heute noch. Nein. Die ganze Zeit haben Sie uns, ohne Widerrede, kostenlos ihren Atomschirm geborgt. Juristisch könnte man sagen, den haben wir uns über die vielen Jahre ersessen. Und wie aus heiterem Himmel, völlig unerwartet, wollen sie, dass die Europäer ihre Verteidigung – also die richtige, die auch etwas bewirkt – selbst bezahlen. Das heißt mehr Geld für die Heere.
Wo sollen denn die armen Europäer ausgerechnet jetzt das Geld hernehmen? Der österreichische Milizchef hat kürzlich betont, dass es viele seiner Mannen gibt, die im Ernstfall nicht einmal Militärkleidung haben. Wie schaut denn das aus? Das geht ja bis zur Unterwäsche! Der eine in Boxershorts, der andere in schwarzen Slips, wenn überhaupt. Ich gebe zu, man sollte da nicht übertrieben kleinlich sein. Wenn man heute durch die Kärntnerstraße geht, meint man, die bummelnden Männer kommen schon aus der Gefangenschaft“.
IM ERNST
Sensible Menschen werden sagen, dass Spott in so ernsten Situationen nicht angebracht ist. Aber die Satire macht manches rascher verständlich.
Wo sind denn die Superökonomen, die der Bundesregierung schon vor Jahren dringend geraten haben die Lieferanten von Energie zu diversifizieren (was auch höhere Preise für Energie bedeutet hätte). Hatten wir doch schon auf Atomstrom verzichtet, dann sollten wir womöglich auch noch Öl und Gas mutwillig teurer einkaufen? Auch unsere Industrie? Darunter hätte die Wettbewerbsfähigkeit ordentlich gelitten, zusätzliche Industriebetriebe hätten sich ins Ausland verzogen. Heißt weniger Arbeitsplätze, heißt mehr Arbeitslose, heißt mehr Geld für die Unterstützung dieser Menschen.
Beziehungen – private, berufliche und politische – schaffen Abhängigkeiten. Die Frage ist nicht ob, sondern wie weitreichend sich diese entwickeln. Was man zulässt. Oder ob man sich zufrieden hineinkuschelt.
Wie wichtig lässt man einen Lieferanten werden, wie bedeutend einen Kunden?
Den kürzlich geschassten Herrn Seele hat man nicht zuletzt um viel Geld wegen seiner erstklassigen Beziehungen zu den Russen geholt. Warum? Damit er teures Nordseeöl von den Norwegern kauft? Wohl kaum.
In vollgepfropften Maschinen sind Verkaufsmanager nach Peking gepilgert, um nur möglichst schnell Marktanteile eines 1,5 Milliardenmarktes zu erobern. Im Gegenzug wollten die Chinesen den Westen mit billiger Konsumware überschwemmen. Kam ja gar nicht so ungelegen. Billige Importe senken die Preise im Warenkorb und das hält die Inflation im Zaum. Damit auch die notwendige staatliche Unterstützung der Armen.
Auf der ganzen Welt ist das so: man gibt und man nimmt. Und jeder hofft, weniger zu geben, als zu bekommen. Leider bedeutet das auch, dass auf beiden Seiten die, die dabei gewinnen nicht identisch sind mit denen, die verlieren. Die unschöne Bezeichnung dafür ist GIER. Die euphemistische ist GESCHÄFTSTÜCHTIGKEIT.
Die Auswirkungen der zögerlich begonnenen Energiewende werden verschärft durch den Ukrainekrieg. Jetzt brauchen EU-Länder zur gleichen Zeit Geld für die Unterstützung der Ukraine, für gewaltige Investitionen und das kostspielige Abpuffern von wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Energiewende, alle möglichen Unterstützungsgelder im Rahmen der Pandemie und die Erhöhungen der Verteidigungshaushalte.
Nicht alle zukünftigen Entwicklungen sind vorhersehbar. Die Vorstellung, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit geopolitische Konfrontationen verhindern oder einschränken kann, ist m.E. nicht falsch. Wir erleben leider gerade einen veritablen „Betriebsunfall“ dieser These. Mit entsetzlichen und nicht vorstellbaren Folgen für die betroffenen Menschen. Diese könnten auch wir sein !!
Sicher ist, dass solche politischen und wirtschaftlichen Abmachungen wie auch andere Globalisierungsmuster nicht ohne gegenseitige Abhängigkeiten ablaufen können. Lassen Sie sich nichts anderes einreden.
©walterkrammer( www.wordcraft.at )
2 Kommentare. Leave new
Klare Beschreibung des Problems und gute Analyse, und das fatale dabei: eigentlich hätte man es wissen müssen, Gefahrenzeichen gab es in den letzten beiden Jahrzehnten zur Genüge!
Heute erst lese ich in der Zeitung, daß – obwohl Gaslieferungen ausbleiben – momentan kein Grund zur Besorgnis besteht. Die Betonung liegt hier wohl auf „momentan“.
Gleich zwei Sätze später lese ich weiter, daß der aktuelle Füllstand unserer Gasspeicher bereits den Verbrauch eines viertel Jahres abdeckt. Ein viertel Jahr scheint für unsere Politik wohl gleichsam einer Ewigkeit zu sein, zumindest schliesse ich dies aus dem derzeitigen (öffentlich kommunizierten) Handeln.
Dazu fällt mir lediglich ein altbekannter Notruf der Apollo 13 Mission ein: „Houston wir haben ein Problem!“
Wäre es nicht endlich an der Zeit, statt kontinuierlicher Schönrederei die Dinge öffentlich beim Namen zu nennen? Die Bevölkerung wird es nicht nur verstehen und verkraften, sondern ob der Tatsache, daß sich Menschen einfach klare Tatsachen herbeisehnen, dies auch wertschätzen und Entscheidungen besser mittragen und unterstützen.
Bei uns heißt es nämlich schon lange: „Österreich wir haben ein Problem!“
Inhaltlich ist wohl jeder Satz richtig. Aber selbst wenn Politiker im Jahre 1990 die Zeitungen des Jahres 2022 im Abonnement beziehen hätten können. Hätten sie anders gehandelt? Leider noch schlimmer: Hätten sie anders handeln können?
Mir sind weder Bodenschätze noch Dienstleistungen bekannt, die Russland oder China in eine Abhängigkeit von Europa bringen und unsere Ideen erzeugen keine Abhängigkeiten, sondern sind nur willkommene Gaben um die dortigen Volkswirtschaften zu unterstützen.