Nr. 70 – Sind die Frauen unsere Rettung?

wordcraft.at / Handelsagenten Spotlight
Das folgende Gespräch mit der Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Wien, Komm.R Margarete Kriz-Zwittkovits zu diesem Thema dreht sich vorrangig um die Rolle und die Situation von Frauen in beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Die Ebenbürtigkeit von Frau und Mann ist eine entscheidende Voraussetzung für eine in mehrfacher Hinsicht erfolgreiche Gesellschaft.

Zuerst ein paar Zeilen zum Einlesen.
Nachdem sich die Menschen auf dieser Erde einigermaßen eingerichtet hatten, war die Rollenverteilung zwischen den beiden Geschlechtern vermutlich klar. Während die größer und stärker konstruierten Männer hinter einem feisten Mammut her waren, hüteten die Frauen das mittlerweile gezähmte Feuer und die Nachkommenschaft.

Mit der Sesshaftigkeit nach der langen Zeit des Nomadentums hat sich nicht viel geändert. Zugegeben, die Behausung war wohnlicher und die Landwirtschaft ersparte einem das Beerenklauben und das unsichere Umherziehen.

Selbst der listige Odysseus, der sich – um vieles später – den  Krieg um Troja gönnte und 10 Jahre durch die griechische Mythologie segelte, kehrte zu seiner treusorgenden Penelope zurück, die inzwischen mit einigen Schwierigkeiten auf seinen Thron als König von Ithaka aufgepasst hatte.

Noch ein Zeitsprung und wir erleben die industrielle Revolution im 18. Jhdt. Die Versorgungslage in Europa hatte sich stabilisiert. Die Kindersterblichkeit ging zurück und Frauen leisteten den Großteil der organisatorischen und operativen Arbeit im Haus oder unterstützten ihre Männer in der Landwirtschaft, dem Gewerbe oder dem Handel. Kamen sie aus den nicht privilegierten sozialen Schichten, fanden sie unter meist erbärmlichen Bedingungen Zugang zu den sich verbreitenden Fabriken.

Im 19.Jhdt begann der gezielte, teilweise koordinierte Kampf für die Rechte der Frauen  In den beiden später folgenden Weltkriegen ersetzten die Frauen die Männer speziell in der Rüstungsindustrie.

Die politischen Umwälzungen  in Europa führten 1918 in vielen Ländern zur Einführung des Frauenwahlrechts, wenn auch manche Länder ziemlich nachhinkten z.B. UK 1928, Türkei 1930, Spanien 1931, Frankreich 1944, Ungarn und Bulgarien 1945, Italien u. Jugoslawien 1946, Griechenland 1952 und als Schlusslichter Schweiz 1971, Portugal 1974 und Liechtenstein 1984. (Quelle M. Brechtken, Der Wert der Geschichte, S.70, 2021 Siedler Verlag). Die modernen Frauen von heute haben in den meisten entwickelten, industriell geprägten Ländern gesetzliche Gleichberechtigung erreicht, doch sehen Frauenrechtlerinnen in der Praxis immer noch jede Luft nach oben.

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 © Foto Weinwurm
KommR Margarete Kriz-Zwittkovits

Unternehmerin seit 1986 /  Branche: Gewerbe und Handwerk, Handel (Kosmetik) und Baubranche
Funktionen
Vizepräsidentin WKW   /    Spartenvertreterin für Gewerbe und Handwerk Wien
Bezirksobfrau 1190 Wien (WKO im Bezirk)
Mitglied im Wirtschaftsparlament Wien
Landesvorsitzende Frau in der Wirtschaft Wien

Spotlight: Frau Vizepräsidentin Kriz, unser Gespräch findet kurz nach dem Equal Pay Day statt. Er thematisiert die Behauptung, dass das Einkommen (nicht nur) der österreichischen Frauen erheblich geringer sei als das der Männer. Worauf führen Sie das zurück?

KommR M. Kriz: Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben versucht man in unseren Betrieben, wenn es solche nicht erklärbare Unterschiede gibt, diese abzustellen. Vergleichbare Arbeit muss, unabhängig vom Geschlecht, gleich bezahlt werden. Der Teufel sitzt häufig im Detail, was die Vergleichbarkeit anbelangt. Ein fortschrittlicher Unternehmer wird schon im eigenen Interesse danach trachten seine Mitarbeiter gerecht zu entlohnen. Und zwar unabhängig vom Geschlecht.
Ein anderer Grund für die finanziellen Differenzen ist  die unterschiedliche Berufswahl der Geschlechter in nieder- bzw. hochbezahlten Tätigkeiten und Branchen. Österreich macht in dieser Hinsicht Fortschritte, aber wir sind noch lange nicht am Ziel.

Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen?

KommR M. Kriz: Einmal sind es die alten Rollenbilder. Püppchen für die Mädchen, Autos für die Buben. Am meisten angestrebte Lehrberufe sind demzufolge Friseurin und Automechaniker. Immer noch.
Auf Akademikerebene finden wir teilweise schon einen Überhang von Frauen. Leider nicht in den MINT-Fächern.
Der Bildungsgleichstand (also die jeweils höchste erreichte Ausbildungsstufe) ist nicht das Problem.
Eher ist es schon die Frage, wie mit dem Gebrauch des erworbenen Wissens umgegangen wird und wie durchsetzungsfähig die praktische Umsetzung in den beruflichen Erfolg aussieht. Fußballfans würden vom  „Zug zum Tor“ sprechen.

Man kann es also nicht den Männernetzwerken umhängen, wenn ein gut bezahlter Technikerposten nicht an eine Frau geht, weil es einfach keine weiblichen Bewerber gibt?

KommR M. Kriz: Das ist jetzt schon sehr polemisch.
Nein, das kann man nicht. (lacht) Aber die Fälle, in denen Männer gern unter sich sind, soll es angeblich auch geben.
Allerdings sehe ich gerade jetzt die große Chance für junge Frauen, in die angeblich typischen Männerberufe einzubrechen. An allen Ecken und Enden fehlt es an Fachkräften. Viele Unternehmen, die sich für einen bestimmten Arbeitsplatz nur einen Mann vorstellen konnten, müssen umdenken. Ich behaupte die österreichische Wirtschaft braucht die Frauen als Rettung in dieser Zeit des Fachkräftemangels mehr denn je. Man wird überrascht sein, wie gut ein solcher turn-around funktionieren wird.

Sie sind auch Präsidentin der Wiener „Frau in der Wirtschaft“.
Das hört sich stark nach einer Anhäufung rühriger Frau an.

KommR M. Kriz: Es ist ein Netzwerk von Unternehmerinnen, das sich schon seit 25 Jahren bemüht den heute über 50.000 Frauen in Wien, die unternehmerisch tätig sind, Stütze zu sein und in allen Bereichen der Wirtschaft zu helfen, eine den Männern ebenbürtige Rolle zu spielen.
Wir wollen doch festhalten, dass es grundsätzlich für Männer und Frauen eine gleich große Herausforderung ist, sich in der Wirtschaft zu bewähren. Wenn es im Markt eine Chance gibt, ist sie prinzipiell für beide Geschlechter offen.

„Frau in der Wirtschaft“ hat es sich zur Aufgabe gemacht Frauen zu beraten, zu informieren, für sie zu lobbyieren und sie durch das Beispiel erfolgreicher Unternehmerinnen zu ermutigen.

„Der Verstand hat kein Geschlecht“ Dieser Satz wurde immerhin schon vor 350 Jahren von dem französischen Philosophen Poullain de la Barre in seiner Abhandlung über die beiden Geschlechter geschrieben.

KommR M. Kriz: Völlig richtig. Aber gleichwertig zu sein, bedeutet nicht Probleme gleich einzuschätzen, gleich darauf zu reagieren und gleich zu handeln. Mittlerweile ist klar erkennbar, dass der weibliche Einfluss in Politik und Wirtschaft von vielen Menschen gewünscht und geschätzt wird. Allerdings beobachten wir, dass nicht wenige Frauen, auch mit guter Ausbildung, eher grundlos an ihren eigenen Fähigkeiten  zweifeln. Daher ist es gut und richtig ihnen durch Beratung und eventuell auch Mentoring Mut zu machen und ihnen über diese von ihnen selbst errichtete Hürde zu helfen. Man sollte nie aus den Augen verlieren, dass jeder fähige Mensch, der sein Talent zur Verfügung stellt, ein Gewinn ist für die Volkswirtschaft und die Gesellschaft.

Frau Vizepräsidentin, ich danke für das Gespräch.

©walterkrammer(wct)

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