Nr. 74 – Auch 2023 fällt der Wohlstand nicht vom Himmel. Allerdings geht es um mehr!

wordcraft.at / Handelsagenten Spotlight
„Wir müssen wegkommen von der Prüfungskultur hin zu einer Ermöglichungs- und Willkommenskultur“ oder „Die zu uns kommen wollen und die wir brauchen, sollten wir mit offenen Armen empfangen und mit Respekt“ sind Zitate des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und der Arbeitgeberverbände (DIE PRESSE 27.12.22). Sie beziehen sich darauf mithilfe ausländischer Arbeitskräfte den extremen Mangel deutscher Fachkräfte auszugleichen.  

Jedoch, die personellen Kompetenzdefizite in nahezu allen Wirtschaftsbereichen jahrein, jahraus nur mit Konjunktiven zu bekämpfen – was wir sollten, könnten, müssten – hilft in Deutschland genau so wenig wie in anderen entwickelten, derzeit noch führenden, Industriestaaten Europas und der Welt. Engagiertes, zielgerichtetes Handeln wird immer mehr zur unbedingten Notwendigkeit.

Überall dort, wo über das Theoretisieren hinaus Ausbildung und Lernen in den letzten Jahrzehnten in der Praxis nicht ernst genommen wurden, greint man heute um unüberprüfbar „gute Fachleute“ aus fremden Landen. Weil das auf Knopfdruck nicht funktioniert, gelten  die „offenen Arme“ mittlerweile auch für einheimische Interessierte, die als „Quereinsteiger“ maskiert, zwar nicht zur Gänze die fachlichen Voraussetzungen mitbringen, aber wenigstens arbeiten wollen.

Mitte des 20. Jahrhunderts war „Made in Germany“ eine harte Währung in der Welt der Industrie- und gewerblichen Produkte. Das wäre kaum möglich gewesen mit dem Standard an Fachkenntnissen, wie ihn in der Not sogar maßgebende Funktionäre der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft heutzutage für durchaus akzeptabel halten.

 

Sicher haben zu dieser Entwicklung verschiedene wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Veränderungen beigetragen.

Der Anteil der erzeugenden, technologiegestützten Wirtschaft verringerte sich im Laufe der Zeit zugunsten des Aufkommens der Dienstleistungsgesellschaft. Die Industrie wanderte zum Teil zu günstigeren Standorten auf anderen Kontinenten ab und jagte damit zugleich den sich dort bildenden Märkten nach.

Dienstleistungsbranchen – damit wir uns nicht falsch verstehen – können auch nicht auf Fachkräfte verzichten. Aber es hat tatsächlich länger gedauert, bis jetzt z.B.  die Gastronomie demonstrativ und für erwartungsfrohe Gäste schmerzhaft, wegen Fachkräftemangels zusätzliche Schließtage einführen muss. Weiterhin andauerndes Improvisieren geht nicht mehr, wenn man den Standard halten will und aus Konkurrenzgründen auch halten muss.  

Oststaaten liefern nicht mehr

Der lange Zeit unerschöpflich scheinende Arbeitskräftepool der ehemaligen Ostblockstaaten versiegt ebenfalls, weil die Wohlstandsdifferenz (nicht zuletzt durch EU-Zuwendungen) geschmolzen ist. Grundsätzlich ist das gut, aber das situationselastische Hin- und Herschieben von willfährigen Nachbarn hat damit halt auch ein Ende. Zusehends sind die Industrieländer auf die eigenen Personalreserven zurückgeworfen.  Diese beinhalten aber leider – lt. verschiedener Bildungsstudien – nicht unerhebliche Bevölkerungsanteile, die trotz 9jährigen Schulbesuchs nicht einmal die Mindestqualifikationen aufweisen.

Im Gegensatz zu den deutschen Vereinsmannschaften mit ihren ausländischen Superstars, muss die DFB-Mannschaft auf Kräfte „aus eigener Produktion“ zurückgreifen. Dann allerdings reicht es bei der Fußball-WM eben schon zum 2. Mal nicht für die Finalrunden. Vielleicht macht das nachdenklich?

Was geht das die Handelsagentinnen und Handelsagenten an?

Uns liegt ein standortgesicherter Industriebestand ebenso am Herzen, wie auf der anderen Seite der funktionierende Abnehmerkreis, der je nach Branche unterschiedlich ist. Für den Erfolg des einen wie des anderen Wirtschaftsbereichs sind erstklassige erfahrene Mitarbeiter  von elementarer Bedeutung.

Die Problemstellungen in Wirtschaft und Gesellschaft liegen klar auf der Hand. Sie sind x-fach diskutiert. Man muss sie nicht immer wiederholen. Es ist die p r a k t i s c h e   Lösungskapazität, die offenbar im Argen liegt. Und das nicht nur in  e i n e m  Land der Union.

Politik und Gesellschaft sind gefordert nicht mit spitzfindigen Regelwerken herumzuspielen, Ideologien und Theorien zu drechseln, sondern Handfestes zu liefern. Und zwar permanent. Die Komplexität der Aufgaben kann nicht als Ausrede gelten. 

Wenn die westlichen Demokratien in noch verstärkten Verdacht geraten die Grundsatzprobleme ihrer Staaten nicht bewältigen zu können, wird das demokratische System selbst in Zweifel gezogen werden. Die Demokratiegegner der ganzen Welt werden sich bestätigt fühlen und zum Halali blasen. Fest steht: wir haben unsere Hausaufgaben über lange Zeit nicht gemacht.

Jeder muss wissen: es geht nicht nur um Wohlstandssicherung. Um Gendersternchen. Um Fahrradwegmarkierungen.

Es geht um unsere Art zu leben.

©walterkrammer(wct)

 

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