Nr. 78 – Leistung steht zur Diskussion

wordcraft.at / Handelsagenten Spotlight

Einerseits wird von der Leistungsgesellschaft gesprochen, andererseits die Verteilungsgerechtigkeit gefordert. Sogar das bedingungslose Grundeinkommen sehen manche als mögliche Basis für das wirtschaftliche Überleben der Bevölkerung. Für andere spiegelt die Work-Life-Balance die Sehnsucht nach einem Freizeitleben nach eigener Vorstellung wider, allerdings mit geringerem Engagement im Wirtschafts- und Arbeitsleben. Die Personalbüros berichten über den Wunsch der Jobbewerber nach 20- und 25-Stundenjobs (pro Woche). Dieser kommt keineswegs nur von kinderbetreuenden Frauen.

In einem KURIER-Interview Anfang Februar ließ Attila Dogudan (DO&CO) hingegen bezüglich Österreich aufhorchen: „Leistung hat bei uns sehr oft den negativen Touch, dass zu viel verlangt wird. Ich mag den Begriff Work-Life-Balance gar nicht. Heißt das Life ist gut und Work ist schlecht?“

Leistungsgesellschaft

hat bei Wikipedia folgenden Eintrag: “ … ist die Modellvorstellung einer Gesellschaft, in welcher die Verteilung angestrebter Güter wie Macht, Einkommen, Prestige und Vermögen entsprechend der (besonderen) Leistung erfolgt, die jedem Gesellschaftsmitglied jeweils zugerechnet wird“. Das angestrebte Leistungsbewusstsein wird natürlich nicht nur von Managern gefordert. Wer nach beruflichem Aufstieg strebt, kann es sich am Arbeitsplatz nicht gemütlich machen.

Es verschwimmt der Maßstab für Leistung.

Ein über Jahrzehnte anhaltender Produktivitätszuwachs wurde den in Beschäftigung Stehenden über einen längeren Zeitraum teils mit Gehaltssteigerungen teils durch Arbeitszeitverkürzungen abgegolten. Das sollte aber nicht zu der Ansicht verleiten, dass Anwesenheitszeit die Maßeinheit für Leistung darstellt. Wenn Sie in Ihrem Arbeitszimmer nicht Ihren Berufsaufgaben nachgehen, sondern den neu erworbenen Roman lesen, in der Küche nicht kochen, sondern fernsehen, draußen statt der Gartenarbeit ein Sonnenbad erledigen, dann sind Sie zwar anwesend, aber Sie erbringen keine Leistung.

Leistung bedeutet eine gestellte Aufgabe zu erledigen,                                                                            ein gestelltes Ziel teilweise oder vollständig zu erreichen. Und das innerhalb eines festgelegten Zeitraums. (Der Babysitter, der durch bloße Anwesenheit die Sicherheit der schlafenden Kinder gewährleisten soll, ist wohl ein Grenzfall). Mit fortschreitender Homeofficebegeisterung erscheint es daher nur logisch, dass sich die Bezahlung in Zukunft vermutlich (wie z.B. jetzt schon bei Handelsagenten üblich) nach Maßgabe erfolgter Leistung und nicht nach einer schwer kontrollierbaren Anwesenheit richten wird.

 

Mit dem Thema Bezahlung sind wir auch schon bei der Lebensplanung angelangt,

die häufig übersehen wird. Dass nämlich eine individuell verkürzte Arbeitszeit ihre Auswirkung auf die Bezahlung, die jeweilige spätere Pension und (wie von Min. Kocher ins Spiel gebracht) die Transferzahlungen haben kann und wird. Im Alter von der Mindestpension zu leben kann nicht das Ergebnis einer vorsätzlichen Lebensplanung sein.

Wie wir wissen, gibt es verschiedene ideologisch untermauerte Gesellschaftsmodelle, die einerseits dem Staat, andererseits dem Einzelnen entscheidenden Einfluss zubilligen, sowie kleinere oder größere Rechte und Pflichten zuordnen. Das Urteil darüber, ob man sich auf den Staat oder lieber auf sich selbst verlassen will, hängt häufig von der jeweiligen Wirtschaftslage ab und davon, wie unabhängig man sein will. Der Schutz der Umwelt, der universellen Menschenrechte und einer stets wirksamen Verteilungsgerechtigkeit stehen in Sonntagsreden immer ganz oben, die tatsächliche Umsetzung bringt die westlichen Demokratien regelmäßig in Bedrängnis.

Österreich

In unserer ökosozialen Marktwirtschaft besteht zwangsläufig eine Abhängigkeit zwischen der Leistung des Einzelnen und dem, was man vom Staat und seinen Einrichtungen erwarten kann.  Wobei ein ausgeklügeltes Sozialsystem so weit wie möglich Aspekte der Leistungsfähigkeit berücksichtigen sollte.

Damit kein falscher Eindruck entsteht, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine erfolgreiche Erbringung der geforderten Arbeitsleistung selbstverständlich auch eng mit den Arbeitsbedingungen zusammenhängt.

Was ist nun das Resümee aus dem Ganzen?

Alle angeführten Punkte hängen mehr oder minder eng zusammen. Sie sind zugleich Voraussetzung und Folge. Die liberale Demokratie, wie wir sie in Österreich leben, findet mehrheitlich Zustimmung. Zumindest soweit sie die jeweils eigene Position nicht in Frage stellt. Über 70 Jahre haben wir damit Frieden und wirtschaftlichen Aufstieg erlebt.

Die Machtkämpfe der Großmächte, Kriege, die Sorge um das Klima der Erde, ungezähmte Migration beunruhigen uns. Mit Globalisierung und Digitalisierung kommen wir noch immer nicht gut zurande.

Die unerfreuliche Botschaft ist, dass unsere persönlichen Anstrengungen und die unseres Staatsgebildes, sowie der EU in der Zukunft zwangsläufig werden steigen müssen. Unsere Loyalität, vorausschauendes Planen und das gemeinsame Zupacken sind unerlässlich.

Das Sich-zurücklehnen, die Erwartung andere würden unsere Aufgaben übernehmen, das Pochen auf historisch begründete, angestammte Rechte, geistiges Pausieren etc. sind kein Rezept für die Zukunft.

Die unangenehme Wahrheit lautet nämlich: Wohlstand und Leistung sind Zwillinge

©walterkrammer(wct)

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