Oktober 2023
Stellen Sie sich vor, Sie führen ein wegen der guten Küche gelobtes Restaurant und kommen dahinter, dass Ihr Koch an seinen freien Tagen in der Küche Ihres bedeutendsten Konkurrenten den Löffel schwingt. Vermutlich würden Sie ihn zur Rede stellen. Dabei würde sich Ihr Blutdruck kaum erholen, wenn man Ihnen erzählte, ihr treuer Mitarbeiter hätte ja nur bei der Nachspeise geholfen, die in Ihrem Lokal ohnedies selten bestellt wird. Ich sehe förmlich, wie Sie den Kopf schütteln. „Das geht ja gar nicht“.
Solche und ähnliche Situationen sind dem Handelsagenten durch das Gesetz bezüglich des Konkurrenzverbots grundsätzlich untersagt.
Darin wird festgestellt, dass der Handelsagent dann gegen das Konkurrenzverbot verstößt, wenn er Ware oder Dienstleistungen Dritter anbietet/verkauft wobei dieser Vorgang ebenso unter Verwendung des Angebots seines Geschäftsherren hätte getätigt werden können. Mit anderen Worten darf der Handelsagent keine Waren in den Verkehr bringen oder Handlungen setzen, die aus Kundensicht geeignet sind Ware des Geschäftsherrn des Handelsagenten zu ersetzen. Eine anderslautende Marktsicht oder Verkaufspraxis des Handelsagenten ist juristisch ohne Bedeutung. Die Richtschnur ist die „Ersetzbarkeit aus Kundensicht“
Prüfen Sie sich selbst
Aus der eigenen, allerdings zurückliegenden Verkaufspraxis kann ich sagen, dass man sich vor Augen halten muss, wie man als Handelsagent handeln würde, hätte man n u r e i n e n der beiden Hersteller im Programm. Also nur den Hersteller A oder nur den Hersteller B.
In einem solchen Fall würde der Handelsagent alle Anstrengungen unternehmen für diesen einen Geschäftsherren erfolgreich zu sein. Wenn er eine gleichwertige Alternative zur Verfügung hat, kommt es zu einer Verteilung seiner Bemühungen
Der Richter, vor dem die causa letztlich abgehandelt werden könnte (z.B. wenn es wegen des nicht eingehaltenen Konkurrenzverbots um den verweigerten Ausgleich geht), wird entscheiden, ob Sie zu jedem Zeitpunkt der Vertragswirkung „die Interessen des vertretenen Unternehmens“ gewahrt haben. Das haben Sie nur, wenn Sie mit Sicherheit keine konkurrierenden Interessen gefördert haben.
Mit den beiden Vertragsunterzeichnungen mit A und B sind Sie allerdings b e i d e n Unternehmen zur (rechtmäßig) uneingeschränkten Vertretung derer Interessen verpflichtet. Beim Angebot offenbar a u s t a u s c h b a r e r Produkte von den beiden Herstellern können Sie die Verpflichtung gar nicht einhalten.
Die Konkurrenzsituation ist nicht immer leicht zu bestimmen
Dr. Gustav Breiter, Vertrauensanwalt des Gremiums und versierter Fachmann im Vertriebsrecht, räumt allerdings ein, dass die Entscheidung darüber, ob es sich tatsächlich um konkurrierende Produkte in der Hand des einen Handelsagenten handelt, von Abnehmerkreis, Ausstattung, Funktionen, Qualität, Preis und Verwendungszweck der Ware abhängen kann. Allgemeine Faustformeln oder Patentrezepte gebe es leider nicht. Auch lägen nur wenige diesbezügliche Gerichtsentscheide vor.
Es wird also immer Grenzfälle geben und es bleibt jedem Handelsagenten überlassen ein allfälliges Risiko selbst einzuschätzen. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass die Digitalisierung, die steigende Zahl von Webseiten im Dienst von Handelsagenten u.ä. die Verkaufsprogramme auch der Handelsagenten häufiger transparent macht.
Worin besteht das Risiko?
In Österreich ist ein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot ein anerkannter Grund für eine „Vertragskündigung aus wichtigem Grund“ mit allen möglichen Folgen (eventuell auch Verlust der Ausgleichszahlung). Natürlich kann der Handelsagent eine solche Kündigung vor Gericht anfechten.
Wie kann man das Risiko mindern
Handelsagenten die gleichzeitig Vertretungen aus verschiedenen Branchen betreiben, werden weniger in Gefahr sein, sich mit dem Konkurrenzverbot herumzuschlagen.
In nur einer Branche tätig zu sein hat den Vorteil einer einheitlicheren Kundenstruktur, benötigt aber mehr Beachtung von Zweigleisigkeiten
Eine nützliche Vorsichtsstrategie besteht im Abschluss von Verträgen mit allen Geschäftsherren, die feststellen, dass die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung bestehenden Vertretungen des Handelsagenten keine wie immer geartete Konkurrenzsituation darstellen. Allerdings würde das erfordern bei Übernahme weiterer neuer Vertretungen diese bestehenden Verträge jeweils auf die neuen Vertretungen auszudehnen.
Auch das Produktangebot der Hersteller kann sich ändern
Wenn das eintritt, kann es zu Konkurrenzsituationen zwischen Vertragspartnern des Handelsagenten kommen. Die Lösung kann in Vertragszusätzen bestehen, in denen die betroffenen Hersteller sich mit der neuen Situation einverstanden erklären.
Wenn solches nicht möglich ist, hilft die Nichtvertretung der zusätzlich aufgetauchten Produkte nicht. Denn diesbezüglich sind die Rechtsmeinungen geteilt. Mit dem Argument, dass der Kunde ja auch hinsichtlich der konkurrierenden Produkte zum Wettbewerber wechseln könnte, wird darin teilweise ein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot gesehen. Es bleibt also eine rechtliche Unsicherheit. Zudem untergräbt dies die Vertrauensbasis zu dem Hersteller. Außerdem führt eine solche Lösung dazu, dass ein Kollege für dieselbe Firma in Ihrem Vertretungsgebiet unterwegs ist.
Wenn gar nichts geht, steht Ihnen eine Vertragskündigung aus wichtigen Gründen unter Wahrung der Ausgleichsansprüche zu, weil Sie durch den Schritt des Herstellers sonst in die Übertretung des Konkurrenzverbots gedrängt werden.
Sollte die Erwartung in die Umsätze der beiden vertretenen Unternehmen sehr unterschiedlich sein, wird es meist zur Kündigung der schwächeren Vertretung kommen, wobei dann der Ausgleichsverzicht in Kauf genommen wird.
Der Beitrag kann nicht zweifelsfrei alle bestehenden Möglichkeiten im Verhältnis Handelsagent – Geschäftsherr behandeln. Die Praxis allerdings zeigt, dass die Bestimmungen des Konkurrenzverbots allgemein wesentlich mehr Beachtung verdienen würden.
© Walter Krammer (wct.)
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