Unter dem Titel „Fit for 55“ präsentierte die EU-Kommission eine Reihe von einschneidenden Maßnahmen zum Klimaschutz. Es geht nicht nur ums Auto, aber auch. Bis 2030 soll der CO2 – Ausstoß um 55% geringer sein als 1990. Bei neuen Autos gibt es lt. dieser Vorgabe ab 2035 keinen Benzin- bzw. Dieselantrieb mehr. VW will in 20 Jahren weltweit nur noch E-Autos anbieten. Audi kündigt dasselbe bereits für 7 Jahre früher an.
Voraussetzung für die Durchführung des Kommissionsvorschlags ist die Zustimmung der 27 EU-Mitgliedsregierungen und des EU-Parlaments. Hinzu kommt das Ziel bis 2030 den Anteil von erneuerbarer Energie am Europäischen Energieverbrauch auf rund 1/3 hinaufzutreiben. Soweit die Theorie.
Die Folgen reichen über Europa hinaus
Durch ihre Bedeutung und die globalen wirtschaftlichen Verflechtungen der EU-Staaten geht es folgerichtig um die Neuordnung der Energieversorgung und den forcierten Klimaschutz auf allen Kontinenten. Dies wieder wird – vorläufig unabsehbare – Auswirkungen haben auf die kulturellen, religiösen, wirtschaftlichen, technischen, medizinischen, militärischen, also insgesamt politischen Verhältnisse überall auf der Erde. Selbst unausweichliche Änderungen werden sich nirgends – wie mit dem Umlegen eines Schalters – herbeiführen oder durchsetzen lassen. Zu viele unterschiedliche Interessen stehen auf dem Spiel.
Symptomatisch mag sein, dass EU und USA zur selben Zeit beim Start in eine neue industrielle Revolution von einem „Klimazoll“ (vorerst z.B. für Zement und Stahl) sprechen. Er soll die eigenen klimaschutzbelasteten Industrien gegen Produkte aus Ländern schützen, die bei der geplanten Weltrettungsaktion nicht mitziehen wollen oder können.
Europäischer Energiebedarf gedeckt ausschließlich durch Strom?
Dass es sicher und schlau ist den ganzen europäischen Kontinent allein von einem zweifellos komplexen gemeinsamen Stromnetz abhängig zu machen, muss erst bewiesen werden.
Ebenso wird es schwierig sein angesichts dieses verflochtenen Systems der vorhersehbaren In- und Exporte verbissen darauf zu bestehen, dass kein Fuzerl Atomstrom dabei ist. Das funktioniert ja schon heute nicht.
Das zukünftige Verhältnis zu jenen Staaten, die derzeit vom Verkauf fossiler Energie (gut) leben, wird nicht friktionsfrei sein können. Garantiert werden die Erdölförderländer um ihre Position als globale Energielieferanten kämpfen.
Und Österreich . . .?
In Österreich wird bisher von den verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kräften erstaunlich locker über das Thema Klimaschutz debattiert. Einige rüsten allerdings jetzt schon zur sozialen und wirtschaftlichen Verteidigung der eigenen Klientel in den herandräuenden Zeiten. Einfach, weil sie nicht damit rechnen, dass irgendjemand in unserem Land von diesen Entwicklungen unberührt bleibt.
Strom für neue Einsatzgebiete
Nach eigenen Angaben (Österreichs Energie) erzeugt die österreichische Elektrizitätswirtschaft jährlich rund 74 Terawattstunden (TWh), das entspricht 266 Petajoule (PJ). Etwa 75% davon stammen aus erneuerbarer Energie, hauptsächlich aus Wasserkraft.
Das Bundesamt Statistik Österreich veröffentlichte in seiner vorläufigen Energiebilanz 2020 (HIER) den energetischen Endbedarf an Energie (das ist das, was gleichsam auf den Markt kommt) mit 1055 PJ.
337 PJ davon werden dem Verkehr zugerechnet, davon 282 PJ. in Form von Benzin und Diesel.
Wenn es nur mehr elektrobetriebene öffentliche und private Fortbewegungsmittel geben wird, werden zumindest in Entsprechung diese 282 PJ durch Strom ersetzt werden müssen. Eine Zahl, die in etwa der gesamten heutigen Stromerzeugung in Österreich gleichzusetzen ist..
Städtisches Leben ohne Gas?
In Wien werden dzt. mehrere 100.000 Haushalte mit Gas betrieben. Den Ersatz müssen in Zukunft Fernwärme und Strom stemmen. Beides braucht umfangreiche neue Netze und entsprechende Endgeräte. Wer wird die bezahlen?
Alle Änderungen bedingen neue Infrastruktur und damit beträchtliche Kosten.
Engpässe, die aufgrund der gestiegenen Nachfrage an anderen Schwerpunkten als heute entstehen, führen zwangsläufig zu Preiserhöhungen. Auf politischer Ebene rechnet man daher mit der Notwendigkeit ausgleichender Steuer- und Sozialprogramme.
Es wäre spannend eine Zusammenstellung wie die oben erwähnte Energiebilanz 2020 als Vorschau für die Jahre 2030 und 2040 zu sehen, in denen alle fossilen Energieanteile und auch solche, die CO2relevant sind, entfernt und durch die „guten“ Stoffe ersetzt werden.
Die Menschen wollen wissen, wohin die Reise geht.
Kommission rechnet mit Einsparungen.
Natürlich muss man gelten lassen, dass es in der Zukunft energiesparende Maßnahmen geben wird, sowie den technologischen Fortschritt, der die Effizienz bei der Stromgewinnung deutlich erhöht.
Als Hauptansatzpunkte sehen Fachleute Wärmegewinnung, das Bauwesen, die Mobilität (Verkehr) und den Gütertransport. Allerdings ist ein koordiniertes Europäisches Schienennetz mit Hochgeschwindigkeitsverkehr auf die Schnelle kaum herstellbar. In der langen Zeit des EU-Bestands hat man offenbar dafür keinen Bedarf gesehen. Nationale Egoismen, technische Unterschiedlichkeiten, sogar der Sprachenwirrwar stellen erhebliche Hürden dar (ÖBB Vorstandsvors. Matthä. Mittagsjournal 17.7.21)
Gibt es Alternativen zur Elektrizität?
Andere Ersatztechnologien als die E-Schiene sind in Entwicklung. Die Antriebsstoffe Wasserstoff und e-fuel.
Wasserstoff >>> Vorteil ist die höhere Reichweite und die kurze Tankzeit. Nachteil sind die hohen Kosten und hohe Emissionen bei der Herstellung des Wasserstoffautos.
E-fuel >>> Ist mit großem technischen Aufwand herstellbar, in dem regenerativer Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet und dann der Wasserstoff mit Kohlendioxid verbunden wird. Viele Fachleute bemängeln in beiden Fällen den schlechten Wirkungsgrad.
Aussichten
Die Regierenden in aller Welt sind in den nächsten 2 – 3 Jahrzehnten nicht zu beneiden. Die Energiefrage unter dem Diktat des Klimawandels stellt sich unausweichlich und wird auch gesellschaftliche Gräben aufreißen.
Es geht um Macht und Einfluss, um Geld und Monopole, sowie um Gerechtigkeit innerhalb der einzelnen Länder und unter den Völkern.
© Walter Krammer (wct)