Die Fachbezeichnung lautet Prokrastination. Sie ist nicht verboten, aber lästig bis störend und erhöht im Endeffekt den Aufwand. Sie ist weiter verbreitet als man denkt und wahrscheinlich nicht auszurotten. Psychologen kennen ihre Symptome und erforschten ihre Ursachen.
Worum geht’s denn eigentlich dabei?
Alles Unangenehme hinauszögern …
Ein ehemaliger Vizebürgermeister von Wien proklamierte damals „Das Wichtige zuerst“. Prokrastinationshörige halten es meistens gerade mit dem Gegenteil.
Im Privatbereich geht dadurch nichts weiter, gefährdet manchmal den Familienfrieden oder trägt einem den Ruf ein unverlässlich zu sein. Geschäftlich kann es in der wildesten Ausformung ein Unternehmen umbringen.
Die Wissenschaft sagt, dass das gezielte Vermeiden unangenehmer Tätigkeiten oder Situationen schon in der Kindheit angelernt wird. Prokrastination selbst ist eine Gewohnheit, keine Krankheit. Sie kann jedoch in Extremfällen zur Krankheit führen. Einzelne Ursachen zu beschreiben sprengt hier den Rahmen.
Gefördert wird durch sie auf jeden Fall die Tendenz auch wichtige Dinge bis zum Geht-nicht-mehr vor sich herzuschieben. Die notwendigen Erledigungen werden eben nicht nach Bedeutung und Dringlichkeit geordnet. (Das Wichtige zuerst). Vielmehr steht man vor einem ungeordneten Haufen von Aufgaben, aus dem man sich (sic!) nach Belieben etwas aussucht.
Na, die schwierigsten, häufig wichtigsten oder kompliziertesten, arbeitsaufwendigsten oder unangenehmsten werden es dann ja wohl nicht sein. Bei einem delikaten Rotwein Urlaubsbilder zu ordnen ist halt immer noch schöner als die Garage aufzuräumen.
Wo es Menschen gibt, dort menschelt’s
Obwohl eine Geschäftstätigkeit – und da ist die der Handelsagenten nicht ausgenommen – im Geruch steht, streng nach ökonomischen Gesetzen, in der Abwägung von Aufwand und Nutzen abzulaufen, sind es doch Menschen wie Du und ich, die in der Wirtschaft tätig sind und Entscheidungen treffen. Neben anderen war es der Literat Jörg Mauthe, der formulierte : „wo Menschen sind, dort menschelt’s“. Dazu gehört das weit verbreitete Bedürfnis Unannehmlichkeiten von sich fernzuhalten, sie weg-, wenn’s sein muss, auch vor sich herzuschieben. Unser Verantwortungsgefühl, unser Pflichtbewusstsein, unsere Disziplin, auch unser Berufsethos, gesellschaftliche Konventionen und ethische Auflagen wollen diesem Begehren aber nicht nachgeben. So baut sich der Konflikt in uns auf.
Es stimmt schon, dass sich fallweise Unerledigtes am Ende selbst ordnet. Aber zu 100% verlassen kann man sich darauf nicht und in den allermeisten Fällen ist die Annahme total falsch.
Ein Ringen mit sich selbst
Zuerst muss man verstehen, dass es immer ein Ringen mit sich selbst ist, die Vorliebe für die Aufschieberitis zu bekämpfen. Zuerst scheint sie der bequemere Weg zu sein und von diesem Komfort trennt man sich ungern. Selbst, dass sich diese unsere Illusion häufig rächt, überzeugt nicht jeden.
Es braucht also unseren Willen in Zukunft so nicht weiter zu machen. Und da es sich meistens um eine tief eingegrabene Gewohnheit handelt, braucht unser Wille ein paar organisatorische Helfer, Strategien, die uns von den Verlockungen der Prokrastination wegzerren.
Die Belohnung für die Besserung ist, dass wir selbst uns gut fühlen, wenn wir ein geordnetes, zügiges Aufgabenmanagement haben. Nicht zuletzt verleiht dieses Sicherheit!
Hier sind Beispiele für organisatorische Helfer:
Schaffen Sie Übersicht und Ordnung in Ihrem Tagesablauf, in Ihrem Büro und im Bereich Ihrer Ziele und der daraus resultierenden Aufgaben.
ZIEL
Dieser Raum wird mein neues Arbeitszimmer
AUFGABEN
1) Ausräumen von – bis
2) Elektroinstallation von – bis
3) Ausmalen von – bis
4) Einräumen von – bis
5) Beziehen 1.5.22
Es kommt nicht auf die Schnelligkeit an. Sondern darauf, dass Sie das Begonnene zuverlässig zu Ende führen und nicht schon nach der Installation den Mut sinken lassen oder die Lust verlieren, weil es auf einmal nicht mehr so dringend erscheint.
Kleine und große Ziele müssen möglichst konkret formuliert und gleichermaßen realistisch wie erfolgversprechend sein. Die Wege dorthin werden mit Ihren Mitteln tatsächlich bewältigt und organisiert werden können. Es gibt feste Termine für Anfang und Fertigstellung.
Wer nicht anfängt, kann auch nicht beenden.
TRÄUMEN IST NICHT DASSELBE WIE PLANEN
Einschub aus dem realen Leben: wie Planung nicht funktioniert
„Ich hab‘ mir gedacht ich streiche noch vor Ostern den Gartenzaun“
„Ostern ist in 5 Tagen und Du bist Mittwoch und Donnerstag in Salzburg“
„Ja, das ist blöd! Aber ist eh wurscht. Streiche ich ihn halt gleich nachher“
(Gesprächsprotokoll aus der Karwoche 2021. Der Zaun ist bis heute ungestrichen)
Bewahren Sie stets den Überblick darüber, wohin die Reise geht und was mit welcher Priorität dafür getan werden muss.
Das muss schriftlich festliegen. Am besten in einem digitalen Kalender. Kurz-, mittel- und langfristig (z.B. was plane ich für morgen, für den nächsten Monat, für das nächste Jahr). Die Einrichtung eines stets bereitliegenden Schmierhefts ist besser als gar nichts. Nachjustierungen sind selbstverständlich erforderlich.
ACHTUNG:
SIE VERLIEREN NICHT IHRE ZEIT, WEIL SIE DAUERND DEN KALENDER VERWENDEN, SONDERN WEIL SIE ES EBEN N I C H T TUN!
Beispiel: Prioritäten und Erledigungstermine für geplante Ziele
Mo 8:00 Autowartung,
Mo 9:30 bis 11:00 Architekt im Haus
dann Telefonate
Di 12:00 Marktanalyse für Erzeuger XY absenden
Di 12:00 bis 13:30 Mittagessen Arno
Di 14:00 bis 16:00 Erledigungen
Di 16:00 UST-Meldung absenden
Mi – Donnerstag Hannover
Fr 10:00 bis 16:00 mit Bettina Weihnachtsgeschenke aussuchen
So ganzer Tag Oma im Waldviertel besuchen
Sie haben feste Dates mit Aufgaben. Für Erledigungen gibt es einen Merkzettel, der abgearbeitet wird
Wir reden von To-do-Listen, die immer fortgeschrieben werden (Erledigtes raus, Neues nach Priorität einreihen),auf jeden Fall mit Endtermin.
WICHTIG: Legen Sie Rituale fest:
jeden Montag 9 – 11 alle Bankgeschäfte und andere finanzielle Erledigungen.
jeden Freitag 10 -12 Buchhaltung
jeden Freitag 16 – 18 Fitnessclub.
Rituale hindern spontane Einfälle daran sich unvorhergesehen Ihrer Zeit zu bemächtigen . Aus gutem Grund haben Sie für die 3 Erledigungsfelder bestimmte Zeiträume zur Verfügung gestellt.
Auch der „Sponti“ muss in das System hineingezwungen werden.
Wie sehen die Elemente Ihrer Tagesplanung aus?
1) Arbeitszeit für Abarbeitung der To-do-Liste von – bis Uhr
2) Zeit zum Nachdenken (keine Besuche, kein Telefon, kein Internet, kein TV, keine Playstation, keine Schundhefte, einfach nichts außer ü b e r l e g e n) von – bis Uhr
3) Pausenzeiten von – bis Uhr. Sie dienen ausschließlich Ihrer Erholung und Ablenkung.
4) Zeit für Eventualitäten. Ausreichend pro Tag v o r s e h e n (wird nach Bedarf abgerufen) „Bitte hole Max um 12 von der Schule ab, musste wieder zu Mutti , weil sie gestürzt ist „.
Jedoch: arbeiten Sie nicht in Pausenzeiten und pausieren Sie nicht in der Arbeitszeit. Erledigen Sie Ihre Telefonate blockweise. Kontrollieren Sie die Zeitfresser Emails oder social media nicht öfter
als 2 x pro Tag.
Beziehen Sie Hilfe in Ihre Planung ein.
Man darf eine Problemlösung oder ein lohnendes Ziel nicht zurückstellen, aufschieben oder aufgeben, weil man auf dem Weg dahin an der eigenen Unzulänglichkeit scheitern könnte. Dafür gibt es Hilfen. Sie müssen nicht alles können oder wissen. Das wird sich auch in einem halben Jahr nicht ändern. Also suchen Sie Hilfe und machen Sie zügig weiter auf Ihrem Weg.
Am Anfang wird Ihre Tagesplanung nicht haltbar sein. Es liegt nicht daran, dass diese Methode falsch ist, sondern Sie sind den Umgang damit nicht gewöhnt. Justieren Sie gefühlvoll, aber nicht zu großzügig nach. So lang, bis Sie zufrieden sind.
HALT: jetzt noch ein ganz wichtiger Aspekt. Wie kriegen Sie Ihr Ego herum?
Wenn Sie das, was Sie so den ganzen Tag tun, auf die rationale Ebene heben, fragt sich Ihr emotionales Zentrum, Ihr Ego „Und, was habe i c h davon? Früher bin ich spontan und nur zum Spaß vis-a-vis ins Cafè gegangen – aber ohne schlechtes Gewissen!“.
Herr oder Frau Ego muss mitgenommen werden. Denken Sie sich Belohnungen aus für Ihr Ego, wenn das System gut funktioniert. Z.B. die verbotene Tafel Schokolade, Scheine in ein Sparschwein stecken , die ein formidables Essen mit Ihrer Familie finanzieren. Ein halber Tag mit allen Fitnessannehmlichkeiten, die man sich vorstellen kann. Das Glas aus der letzten Flasche alten Cognacs oder eine kleine Radtour mit Ihren Buben. Oder, was auch immer …
Die angesprochenen Strategien sind nicht vollständig, weil sie situationsbedingt geändert und angepasst werden müssen. Aber ich bin sicher, Sie haben verstanden, worum es geht. Sie sollen sich nicht knechten. Sie sollen Freude haben an einer gezielteren Arbeitsmethode. Wenn Sie diese bereits verwenden, dann wissen Sie, was ich meine.
©walter krammer (wct)
Mehr zum Thema >>> https://karrierebibel.de/prokrastination/