Die Straßenverkehrsordnung ist nicht die bevorzugte Bettlektüre. Aber am Ende betrifft sie doch jeden. Berufstätige, die sich den Autogebrauch nicht aussuchen , Radfahrer, die jeder Sturz spitalsreif machen kann, Fußgänger, die sich jetzt schon nicht einmal auf dem Gehsteig sicher fühlen. Alle konnten geschockt sein, als letzte Woche die Verkehrsministerin Ihre Pläne hinsichtlich der Neufassung der Straßenverkehrsordnung vorstellte.
Gegen das Auto um jeden Preis
Soweit es gegen die Autos geht, treffen sich Gewesslers Ankündigungen zeitgleich mit den Ambitionen der Wr. Stadträtin Sima, die nun mit der totalen Beruhigung des 1. Bezirks Ernst mach will. Datenschutzkämpfer, die die völlige Überwachung der in die Innere Stadt einfahrenden Autos als gesetzwidrig ansehen, werden von Sima weggewachelt. Zumindest vorläufig. Fremde müssen zwingend in eine Garage fahren, tun sie das nicht, wird kassiert.
Auf Hochglanz macht uns die Werbung das Elektroauto schmackhaft, mit dem man kein schlechtes Gewissen haben muss. Gegen Simas Plan hilft das gar nichts. Elektroautos brauchen nämlich nicht weniger Platz als ihre „Stinkebrüder“. Da wird’s noch juristische Gefechte bis zum OGH geben.
Wie eine richtige, zusätzliche Gefahr zum geltenden Recht wird
Das in Zukunft erlaubte Nebeneinanderfahren von Radfahrern halte ich sowohl in der Stadt, wie auch auf Landstraßen für so einen Fall. Wobei das Problem weniger der Platzanspruch ist (denn Platz braucht ja ein Auto auch) als der eklatante Tempounterschied. Bei der Mama, die in Zukunft ihre beiden neben ihr fahrenden Kleinkinder im Blick behalten möchte, wie auch bei der lustigen Gruppe der Hobbyfahrer, die selbst bei größter Anstrengung die zugelassenen 100 km/h des restlichen Verkehrs auf Landstraßen nicht erreichen wird. Alle wähnen sich sicher, sind aber ständig in einer Gefahr, die nicht durch eine Verordnung heraufbeschworen werden darf.
Gegen das ebenfalls geplante Rechtsabbiegen bei Rot laufen die Autofahrerverbände jetzt schon Sturm. Zu Recht. Ist es doch erwiesen, dass derzeit die meisten Unfälle von Radfahreren im Kreuzungsbereich stattfinden. Jetzt will man sie auch noch bei Rot ins Gefecht schicken.
Staupolitik ist die Verschwendung von Lebenszeit
Das erkennt jeder, der an den XXXL – Seitenabstand denkt, den es für Radfahrer in der neuen StVO geben soll. In den meisten Einbahnen , speziell innerhalb des Gürtels, müssen dann entweder Parkspuren geräumt werden oder der rechtsbewusste Autolenker zuckelt hinter dem Radler her, weil sich das Überholen, im Gegensatz zu früher, einfach nicht mehr ausgehen kann. In diesem Licht wird die Vision von „Radler fahren gegen jede Einbahn“ besonders spannend.
Der erhebliche Tempounterschied auf demselben Stück Asphalt wird zu schweren Auseinandersetzungen führen. Weil es kein Aneinander-vorbei mehr geben wird, sondern nur mehr ein Hintereinander-her.
Glaubt man den kolportierten Zahlen, dann stehen zurzeit Wiener Autofahrer, die regelmäßig unterwegs sind, im Jahr 109 Stunden im Stau (Trendmagazin 2019). Den beiden Verkehrsladies in Bund und Land scheinen davon unbeeindruckt. Den Fließverkehr zu ruinieren ist aber nicht Aufgabe der Verkehrspolitik.
Am 23.1.2022 schrieb die Wiener Zeitung über das Verhalten der Bewohner von Wien
„2020 nutzten in Wien rund 27 Prozent die Öffis auf ihren täglichen Wegen. Wie auch 2019 bleibt der Anteil der PKW-Nutzung bei 27 Prozent. Während der Pandemie wurden 2020 die Wege vermehrt mit dem Fahrrad bzw. zu Fuß zurückgelegt. Der Anteil der Fußgänger stieg von 28 auf 37 Prozent, der Anteil der Radfahrer von 7 auf 9 Prozent.“
Seit Jahrzehnten wird der Wiener Bevölkerung eingeredet, dass die Zahl der Radfahrer explodieren werde, wenn nur genug Fahrmöglichkeiten für die Einspurigen gebaut würden. Ebenso lang bleibt, im Gegensatz dazu, deren Ergebnis im Modal Split einstellig. Es wird – aus verschiedenen Gründen – eben nicht mehr! Beispiel gefällig? Das Millionengrab Fuchsthallergasse am Alsergrund. Tagtäglich die Qual eines unnötigen Staus von der Nußdorferstraße bis zum Gürtel, dazu eine leere Busspur und ein noch leererer (wenn es das gibt?) Bergaufradweg.
Ein wahrhafter Edelstein der Verkehrsplanung.
©walterkrammer(wct)