Nr. 103 – Checken Sie Ihr Kundenranking

wordcraft.at / Handelsagenten Spotlight

November 2023

Das kundenbezogene Verhalten des Außendienstes oder des gesamten Unternehmens richtet sich nicht unwesentlich nach der Wichtigkeit der einzelnen Kunden. Diese Beurteilung verläuft aber nicht in allen Unternehmen nach denselben Gesichtspunkten.
Welcher unserer Kunden eine wie große Bedeutung für unseren Erfolg hat, hängt einerseits von unserem angestrebten Unternehmensziel, andererseits von den Umständen (Branche, Niveau, Marktverhältnisse etc.) ab. Ändern sich die Umstände gravierend, können sehr schnell die Wichtigen und die Unwichtigen die Plätze innerhalb der Rangliste tauschen.
 

Natürlich ist der Umsatz wichtig, aber …

In den meisten Fällen wird es der vorangegangene, bestehende und/oder in Zukunft erhoffte Umsatz sein, nach dem der Wert eines Kunden festgestellt wird. Jeder weiß, dass Umsatz nicht gleichbedeuten ist wie Gewinn oder Kostendeckungsbeitrag. Ebenso, dass es schon recht schwierig ist bis ins Detail alle unsere Aufwendungen anteilsmäßig jedem einzelnen Kunden zuzuordnen. Und es ist bestimmt nicht allein die monetäre Einschätzung, die den Platz im Ranking festlegt.

Geht es doch auch darum, welchen immateriellen Vorteil es z. B. haben kann bestimmte Unternehmen dem eigenen Kundenkreis zuzählen zu dürfen? Wie viele unserer Käufer bleiben deswegen bei der Stange, weil Sie sich augenscheinlich gern eben einem z.B. elitären Abnehmerkreis zurechnen wollen?
Oder wie schätzt man jene langjährigen beständigen Kunden ein, die uns damals in der Krise nicht fallengelassen haben, sondern durch Treue glänzten?
Inwieweit bewertet man die tatkräftige Unterstützung jenes Kunden, der uns zu der einen oder anderen lukrativen Vertretung verholfen hat, beziehungsweise den maßgeblichen Tipp dafür lieferte? Bringt sein nicht unbedeutender Einfluss in der Branche zusätzliche Punkte in unserem Ranking?
Kurz und gut, unsere Kundeneinschätzung bemisst sich in der Realität nicht nur nach den Umsatzzahlen. Von Zeit zu Zeit lohnt es sich vielleicht bei einem guten Glas Rotwein über die eigene Klientel nachzudenken und dabei nicht nur die ausgetretenen Pfade der Lehrbücher zu beschreiten. 

Fest steht: es gibt nicht die allgemeinen auf jeden Fall zutreffenden Richtlinien der Kundenbewertung. Die passenden Methoden und zu berücksichtigenden Faktoren sind von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Und selbst bei ein und derselben Firma können sich die Schwerpunkte im Laufe der Zeit verlagern.

Das eigene Ziel entscheidet!
Grundsätzlich ist das Sortiment der Messlatten und Methoden mannigfaltig, die herangezogen werden unter den Kunden die Spreu vom Weizen zu trennen. Am Beginn der Betrachtung sollte jedenfalls die Formulierung unseres Unternehmensziels stehen. Dann erst folgt die Beurteilung des Beitrags, den die einzelnen Kunden leisten dieses Ziel zügig und kostengünstig zu erreichen. Es kann ebenso im schnellen Reichtum bestehen, wie vielleicht in der sozialen Anerkennung durch die Branche. Oder es betrifft beides. Oder das Unternehmen läuft nur zum Zeitvertreib. Das sind nur 3 der zahllosen möglichen Motive.
Danach wird sich konsequenterweise die Auswahl unserer Geschäftspartner richten.

Marktanteil, Umsatz, Gewinn, Deckungsbeitrag
Wie viele Kunden stehen im erreichbaren Markt zur Verfügung? Wer sind die Wunschkunden? Wie groß ist der bestehende Marktanteil insgesamt und wie viele der kaufenden Abnehmer decken sich mit der Liste der Wunschkunden? Soll man standhaft am Wunschbouquet festhalten? Im Garten von Blüte zu Blüte hopsen oder den Fliederstrauch möglichst für sich allein haben?
Wie auch immer, als Kunden kann man nur Abnehmer bezeichnen, die a) etwas bestellen, b) korrekt zahlen und c) einen möglichst hohen Deckungsbeitrag bescheren. Alle drei Bedingungen sollten in jedem Fall erfüllt sein (man wird sich ja noch etwas wünschen dürfen), häufig geht es in der rauen Wirklichkeit ohne Kompromisse gar nicht ab.
Also erstellt man eine Rangliste von Kunden einschließlich derer, bei denen man erforderliche Abstriche noch weiterhin ertragen will und kann.
Nicht zu übersehen ist in diesem Zusammenhang die Gefahr einer unbeabsichtigten Abhängigkeit. Z.B. 60 Kunden machen 20% des Umsatzes und 2 Kunden liefern den Rest von 80%. (ABC-Analyse)

Die Nebenfronten
Die folgenden 3 Gedanken beziehen ihren Titel nicht aus dem Begriff der Nebensächlichkeit, obwohl sie im Vergleich zum schwergewichtigen Umsatzthema eine untergeordnete Rolle spielen.
Ein mäßig interessierter Kunde, der dennoch beim Anbieter unermüdliche Anstrengungen bewirkt, hat vermutlich doch etwas an sich.
In erster Linie natürlich die Umsatzhoffnung.
Daneben aber auch den Referenzgehalt. Der Hinweis gegenüber anderen Abnehmern, man sei gerade mit dieser Ware im besten Fachgeschäft der Innenstadt vertreten, gibt vielleicht den Ausschlag für eine schon verloren geglaubte Erstbestellung.
In eine ähnliche Kerbe schlägt das Informationspotential. Wenn schon der Warenfluss mäßig ist, so bietet der Kontakt gerade zu diesem zurückhaltenden Kunden die Möglichkeit Informationen zu sammeln, die man an anderer Stelle gut gebrauchen kann. Nicht zuletzt, wenn es z.B. um die Akquisition einer neuen Vertretung geht.
Apropos neue Vertretung: kann sein, dass man bei dem kraft seiner Branchenbedeutung so sehr gewünschten Kunden nur zäh vom Fleck kommt. Wer sagt, dass dieser Kunde nicht mit einer anders orientierten zusätzlichen Vertretung (quasi mit einem anderen Schraubenschlüssel) vielleicht doch zu gewinnen ist, was vermutlich auch der bestehenden Vertretung unter die Arme greifen würde. Also 2 Fliegen auf einen Schlag.

Das Bedeutungsverhältnis Kunde – Anbieter
Die Selbstverständlichkeit, mit der wir immer fragen, welche Vorteile der Kunde unserem Unternehmen bringt, unterstreicht einen einseitigen Standpunkt.
Überall werden Sie lesen, dass es wichtig ist die Bedeutung des Kunden für Ihr Unternehmen zu kennen (z.B. wie groß ist der Umsatzanteil an Ihrem Umsatz u.ä.?).
Richtig. Aber viel zielführender ist es die eigene Bedeutung für den Kunden zu realisieren. Was hat man von einem Kunden, der schlichtweg großartig ist, bei dem man aber nur als der als letzter Ausweg eingesetzte Notnagel fungiert. Und seit langer Zeit hat sich daran tatsächlich nichts geändert und wird sich auch nichts ändern. Das eigene Angebot passt dort eingestandener Weise nicht hin. Bei dieser Konstellation verliert der Anbieter nur seine Zeit und sein Geld. Also runter von der Kundenliste.

Das Kundenpotential
Das Bedeutungsverhältnis spielt nicht unwesentlich in die Einschätzung des Kundenpotentials hinein.
Ein Kundenpotential können Sie von Fachleuten erstellen lassen oder aus öffentlich zugänglichen Informationen herauslesen (soweit vorhanden).
Kunden, mit denen Sie schon länger arbeiten, machen Ihnen die Sache leichter. Sie kennen den Marktauftritt des Kunden, seine Geschäftslage, seine Räumlichkeiten. Sie können seinen Gesamtumsatz ermitteln und auch die des Teilbereichs, in dem Sie tätig sind. Ebenso die Bedeutung des Kunden in seinem lokalen Umfeld, im Gesamtmarkt, und vielleicht in der öffentlichen Einschätzung. Sie kennen die Geschäftsführung und das Verkaufspersonal. Sie haben ein Gefühl für seine finanzielle Gestion. Wenn nicht, fragen Sie den KSV oder Handelsagentenkollegen (ja, das geht auch!). Die Szene ist also aufgebaut. Welche Rolle können Sie darin spielen im Fall von maximal, optimal, halboptimal oder unglücklich?  Wie immer das Ergebnis aussieht, sind welche Maßnahmen notwendig, aussichtsreich, hoffnungsvoll und vor allem durchführbar?
Das alles zusammengerechnet gibt diesem Kunden seinen Platz in Ihrem Ranking. 

Die Strategie der Handelsagenten
Unter den Handelsagenten gibt es 2 grundsätzliche Strategiepaare und natürlich Mischformen.

Schneller Erfolg – Erfolg auf lange Sicht
branchentreu – überall

Bei der Auswahl oder Präferenz von Kunden oder Kundenarten ist die jeweilige Strategie von Bedeutung, die der Handelsagent verfolgt. Man kann leicht erkennen, dass der Lieblingskunde der einen Strategie nicht auch der Lieblingskunde der anderen sein wird. Und die Kundenbindungsanstrengungen bei den branchentreuen Langzeitanhängern eine wichtigere und nachdrücklichere Rolle spielen als dort, wo es nur um den schnellen einmaligen Erfolg geht.

Die abschließende Feststellung lautet also, dass die Bedeutung der unabdingbaren auf dem letzten Stand gehaltenen Kundenbewertung weit in das Feld der Unternehmensstrategie, der Kundenstruktur und damit auch der Angebotspolitik des Anbieters hineinreicht und damit auch eine entsprechende Beachtung verdient.

©walterkrammer(wct)

 

 

 

 

 

 

 

 

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Senden Sie Ihre Stellungnahme an krammer@wordcraft.at.

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