Was haben Handelsagenten damit zu tun?
Voyeure muss ich enttäuschen, die Joghurtfrage gibt keinen Einblick in ein Ehedrama. Vielmehr dient die Headline als Einstieg in ein brennendes Thema mit dem sperrigen Titel Marktmacht.
Als die Greißler (mit freudiger Konsumentenhilfe) von den Großflächen abgelöst wurden, gab es den Traum von der unendlichen Auswahl in den neuen Warenparadiesen. Mittlerweile weiß man es besser. Eine große Zahl gleichwertiger Produkte von verschiedenen Herstellern in den Regalen vorzuhalten ist erheblich teurer als dem Kunden hin und wieder 2 Rabattkleber zu schenken, die er bei der Kasse auf die Zahnpastatube oder die Weinflasche picken darf. Die Konsumenten beobachten daher, dass sich die Auswahl auf vielen Linien drastisch einschränkt. Schon die Ersetzung der Markenprodukte durch die Eigenmarken trägt kräftig dazu bei. In der Realität ist es also das offensichtlich reduzierte Verkaufsprogramm des jeweiligen Händlers, das mein Joghurt bestimmt. Auch bei der spärlichen Konkurrenz ist es nicht besser.
Wieso funktioniert das? Ganz einfach. In diesem Beispiel liegt es an der Marktmacht der Lebensmittelhandelskonzerne.
In Wikipedia findet man für den Begriff Marktmacht folgende Definition:“ …..erheblicher Einfluss auf die Marktbedingungen … Das umfasst die Kontrolle über Preise, Angebotsqualität, Produktinnovation und Wettbewerbsbedingungen in einem Markt.“
Es ist leicht zu verstehen, dass erfolgreiche Unternehmen einen steigenden Anteil am jeweiligen Markt erringen, wenn die Mitbewerber nicht Schritt halten können. Und damit kommt Ihnen auch mehr Einfluss zu.
Eine solche Entwicklung war bei Existenz einer Unzahl von Anbietern in einer Millionenstadt wie Wien zuerst nur lokal spürbar (z.B. der größte Möbelhändler von Ottakring, der bekannteste Juwelier der Innenstadt usw.).
Konzentrationstendenzen in allen Bereichen
Was Kolleginnen und Kollegen immer wieder beklagen, ist die heute in fast allen Branchen zu beobachtende Konzentrationstendenz, sowohl bei den Erzeugern wie bei den Händlern. Wobei man als zusätzlichen Faktor den Onlinehandel nicht vergessen darf, der den stationären Handel umgeht, wenn dieser sich nicht selbst online um Kunden bemüht.
Welch gewaltige Kräfte global wirken, kann man daran erkennen, dass Weltkonzerne immer wieder Teile ihrer Produktion weiterverkaufen oder aufgeben, weil sie auf diesem Sektor ihres Wirkens trotz Milliardenumsätzen „zu klein“ geworden sind. Ihnen ist aufgefallen, dass oben von „lokal“ und „global“ die Rede war, deren Bedeutung gegensätzlich ist.
Weniger und größere Anbieter dominieren den Markt.
Lassen Sie uns also ansehen, was einerseits unter „Markt“ verstanden wird und wie marktbeherrschende Konstrukte aussehen. In unserem Zusammenhang spricht man im Kartellrecht vom relevanten Markt.
Das kann sich auf die räumliche Ausdehnung beziehen (ganz Wien, ganz Österreich, ganzer deutschsprachiger Raum, ganze EU und so weiter) oder auf eine sachliche Gemeinsamkeit (häufig eine Branche), wie Lebensmittel, Herrenmode, Nutzfahrzeuge u.ä.
Wer sind die Marktbeherrscher?
Das ist leicht gesagt: gibt es nur einen, der alles bestimmt und dem z.B. die Abnehmer bei einem gegebenen Bedarf ausgeliefert sind, handelt es sich um ein Monopol. Wenn es mehrere sind, die sich maßgeblich den Markt teilen, spricht man von einem Oligopol.
Dass mit dem steigenden Erfolg eines Unternehmens sich auch dessen Marktmacht mehrt, bedeutet in der Realität, je mehr Abnehmer in einem bestimmten Markt bei diesem Unternehmen kaufen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen in die Lage kommt, die Marktbedingungen beim Einkaufen und Verkaufen (Preise, Einkaufsmöglichkeiten, Kundenservice etc.) zu seinem Vorteil zu verändern.
Dagegen hilft nur ein funktionierender Wettbewerb und ab einer bestimmten Größenordnung eine staatliche Regulierung, die den Wettbewerb schützt und fördert.
Einfach gesagt, ich muss immer die Möglichkeit haben mit einem zumutbaren Aufwand mein Joghurt von einem oder mehreren anderen Anbietern zu besorgen. Idealerweise mit der Wahlmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Preisen oder Bedingungen.
Was heißt das alles für Handelsagenten?
Handelsagenten brauchen Vertretungen zum Geldverdienen. Manche Vertretungen sind lukrativer als andere. Meist sind die Unternehmen stärker als jene, mit denen man als Handelsagent größte Mühe hat. Erschwerend kommt hinzu, dass sehr häufig sowohl die Zahl der Anbieter wie auch z.B. der Händler oder Verbraucherfirmen kontinuierlich schrumpft. Ein vergleichbarer Marktumfang verteilt sich damit auf immer weniger Akteure. In den „guten, alten Zeiten“ des Polypols (viele gleichrangige Anbieter) war die Nachfrage groß und (ohne das noch nicht erfundene Internet) die Transparenz klein. Vielleicht erscheinen deshalb den Leuten an der Verkaufsfront die alten Zeiten so gut.
Heute läuft nichts mehr automatisch. Die vertretene Firma muss schon sehr gut sein, um im Markt erkennbar Erfolg zu haben und das Gleiche gilt für uns Handelsagenten. Daher müssen die Spezialisten, die tagtäglich mit den Kunden zu tun haben, in den vielfältigen Ebenen der Kundenbegegnung stets die eigene Qualität und die der Produkte hochhalten.
Das ist nicht leicht. Allein, noch mehr und noch mehr zu arbeiten, wird nicht helfen.
Verbesserung der Marktkenntnisse, strategische Überlegungen, der fehlerlose und effiziente Gebrauch technischer Mittel, vorausschauendes wirtschaftliches Handeln, Kostenminimierung, Netzwerkoptimierung – all das bleibt heute auch dem meistens kleinen Unternehmen von Handelsagentinnen und Handelsagenten nicht erspart.
Eine Hilfe auf diesem schwierigen Weg ist – neben anderen – unsere Berufsorganisation. Die WKO und ihre Fachgruppen und Fachverbände, mit ihrer umfangreichen Beratungstätigkeit und dem kostengünstigen Angebot das Fachwissen der Mitglieder auf hohem Niveau zu halten. Ich weiß, dass dieser Satz nicht allen Lesern schmeckt. Und dennoch stimmt er!
Jeder wird sich bemühen müssen zu den Besten und Durchschlagskräftigsten zu zählen, denn diese werden à la longue die erfolgreichsten Vertretungen haben und die effektivsten Kunden erringen.
© walterkrammer (wct)
Quellen: Wikipedia, KI, RegioData Nähere Informationen zu RegioData finden Sie unter https://www.regiodata.eu/unternehmen/
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