Juli 2024.
Aufschlüsse der Strukturerhebung 2024
Im Frühjahr 2024 wurden die Mitglieder des Fachverbands der Handelsagenten (in ganz Österreich etwa 8.500) gebeten sich für eine Branchenerhebung zur Verfügung zu stellen. Die Zahlen, wie auch schon in den vergangenen Jahren vom Linzer Market-Institut erhoben, liegen nun vor und Spotlight beschäftigt sich im Besonderen mit den Wiener Ergebnissen.
Die Personen, die diesen interessanten, aber herausfordernden Beruf ausüben, sind keine gleichförmige Masse. Auf die Frage nach dem Motiv, das zu dem etwas ruhelosen Metier geführt hat, stand sehr häufig der Begriff der „Freiheit“ in unterschiedlichen Bezügen im Mittelpunkt.
„Wir tun zwar alle in gewisser Weise dasselbe und doch macht es im Detail jeder anders“ meint der Wiener Obmann KommR Fidelio Rupprecht. „So muss man bedenken, dass es sich bei professionellster Einhaltung der Umfrage-Regeln durch MARKET um die Zusammenführung des Strebens und Verhaltens von ein paar Tausend Individualisten und Einzelkämpfern handelt. Wenn Sie also in einzelnen Positionen nicht dem Durchschnitt entsprechen, ist das kein Grund zur Sorge.
Nicht überraschend ist für mich leider die Liste der Widrigkeiten, mit denen Handelsagenten nach eigenen Angaben außerordentlich belastet sind. Als besonders wichtig bzw. in der Berufsausübung negativ spürbar wurden angegeben: der fehlende Vorsteuerabzug bei PKWs (72%), die unangemessene Luxustangente bei der Anschaffung (60%), Abgaben, Steuern und SVS-Beiträge (60%), die als realitätsfremd empfundene Abschreibungsdauer (50%) und das unzureichend organisierte Verkehrswesen, das sich häufig als hinderlich für die Berufsausübung erweist.
Bei allen Schwierigkeiten, mit denen die Kollegenschaft zu kämpfen hat, gibt es doch Hoffnung, da trotz der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen der letzten Jahre 4 von 5 Kolleginnen und Kollegen in etwa die Vorjahrsergebnisse erreicht haben – d.h. gleich oder nur wenig nach unten oder nach oben abweichend. Jeweils 10% haben deutlich besser oder erheblich schlechter abgeschnitten.“
Handelsagenten arbeiten kostengünstig und vertragstreu
Handelsagenten sind nicht nur eine kostengünstige Vertriebsmöglichkeit für in- und ausländische Geschäftsherren, sondern sorgen auch nachweislich für Kontinuität. Das zeigt das Ergebnis der Behaltedauer der Vertretungen. Laut Umfrage bestehen 40% der bestehenden Vertretungsverträge kürzer als 5 Jahre, 25% zwischen 5 und 10 Jahren und immerhin 35% länger als 10 Jahre.
Übrigens sind die Agenturen statistisch gesehen durchschnittlich für 4 Vertretungen im Einsatz, von denen jeweils 1 – 2, je nach den Umständen, gegen neue ausgetauscht werden (müssen).
Aus Ihrer Erfahrung wissen Sie, dass manche Kollegen neben der Tätigkeit als Handelsagent andere unternehmerische Aufgaben bewältigen (am meisten im Detail- oder Großhandel). Das Gesamtbild lautet somit 40% widmen sich ausschließlich der Handelsagentur, 45% betreiben neben der überwiegenden Agentur eine zweite Schiene und etwa 10% arbeiten als Handelsagent neben einer als „hauptsächlich“ bezeichneten Einkunftsquelle. Handelsagenten sind in verschiedenen Branchen unterschiedlich stark vertreten.
Woher stammen die vertretenen Unternehmen, wo sitzen die Kunden?
Die vertretenen Unternehmen haben zu 25% ihren Firmensitz in Österreich, zu 65% in der EU und da wieder (nach Anteilsgröße geordnet) in Deutschland, Italien, Spanien, Niederlande, Frankreich usw.)
Die Struktur der vertretenen Unternehmen wird durch folgende Angaben beleuchtet
Im Durchschnitt aller vertretenen Unternehmen beschäftigen 67% weniger als 100 Mitarbeiter, 15% bis 250 Mitarbeiter und 14% eine nach oben unbegrenzte Mitarbeiterzahl.
Von den befragte Kollegen haben 60% nur Kunden in Österreich, 35% betreuen Kunden in Österreich und im Ausland, der Rest betreut nur ausländische Kunden.
70% der Handelsagenten beschäftigen keine Mitarbeiter (sind also EPUs).
Handelsagentendetails
Der gesamte Warenumsatz der österreichischen Handelsagenten beläuft sich auf etwa 31 Milliarden EUR, der der Wiener Handelsagenten liegt bei 6 Milliarden EUR.
76% der Kollegen bedienen sich einer Einnahmen/Ausgabenrechnung.
38% rechnen ihre Steuern pauschaliert ab.
40% arbeiten (in unterschiedlicher Weise und Intensität) an ihrer beruflichen Weiterbildung, 56% sind mit ihrem Wissensniveau zufrieden. In diesem Zusammenhang sei auf die starke Unterstützung der Kammer und der Fachgruppen zum Thema berufliche Weiterbildung hingewiesen.
Die Hälfte der Mitglieder hält Kontakt zur Wirtschaftskammer, davon 1/3 sogar „häufig“
Verkehr
56% der Wiener Handelsagenten lehnen den Ankauf eines E-Autos deutlich ab (in ganz Österreich sind es 68%).
Erwartungsgemäß ziehen mehr als die Hälfte der befragten Kollegen aus praktischen Gründen die nachgefragten „Alternativen Reisemöglichkeiten“ Bus, Straßenbahn, Zug, zu Fuß oder Fahrrad gar nicht in Betracht. Aber es schließen andere Handelsagenten (je nach den bestehenden Umständen) eine fallweise Verwendung dieser Möglichkeiten nicht aus.
Digitalisierung
Es hat in Österreich Zeiten gegeben, da es nahezu unmöglich war, auch in dringenden Fällen, telefonischen Kontakt zu anderen Personen herzustellen. Selbst in den späten 1950er-Jahren konnte man sich in Wien glücklich schätzen ein sogenanntes Vierteltelefon zu besitzen (also eine Telefonleitung, die man mit drei anderen Teilnehmern teilen musste.) Wenn die anderen telefonierten, musste man mit dem eigenen Anruf warten und konnte natürlich auch nicht angerufen werden. Heute unvorstellbar.
Der vorliegenden Umfrage zufolge ist einem ¾ der Handelsagenten klar, dass der mit unaufhaltsamer Macht vordringenden Digitalisierung in beruflicher Hinsicht nichts entgegenzusetzen ist, sondern natürlich, vielleicht sogar insbesondere Handelsagenten trachten müssen stets auf der Höhe der Entwicklung zu sein.Umso erstaunlicher ist es, dass noch immer manche EPUs auf eine klaglose digitale Verbindung zu ihrem beruflichen Umfeld keinen ausreichenden Wert legen.
© walterkrammer (wct)
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