Nr. 38 – Das endlose Warten auf den Tunnel

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Handelsagenten Spotlight

 

Mit der Sesshaftigkeit, mit Rodung, Ackerbau, Viehzucht und rasanter Vermehrung der eigenen Spezies startete der nennenswerte Einfluss der Menschen auf das Klima. Richtig heftig zu werden begann es vor 170 Jahren mit der industriellen Revolution. Fast jedes Element der Komfortzone, die sich vor allem die sogenannten entwickelten Länder gönnen, facht die Entwicklung weiter an. Die 4. 5. oder 6. Welt ist Klimasünder aus Armut. Das ist der globale Befund. Über den Inhalt dieser paar Zeilen gibt es ganze Bibliotheken.

Der Widerspruch zwischen global und lokal
Es existiert aber nicht nur die globale Einschätzung, sondern auch das lokale MUST und DON’T. Und weil wir die ganze Zeit vielleicht – oder sogar sehr wahrscheinlich – zu wenig getan haben die Entwicklung zur superwarmen Atmosphäre einzubremsen und uns die Wissenschaft jetzt ernsthaft auch wegen des Naturschutzes Feuer unter dem Hintern macht, sollen alle Bremsen, die wir haben, gleichzeitig angezogen werden, dass nur so die Funken stieben.
Die Verallgemeinerungen feiern fröhlichen Urstand. Facts und Fakes treiben die Menschen in verschiedene Richtungen. Manche Maßnahmen sind gut gemeint, aber triggern andere Klimaschädlichkeiten bzw. machen die Menschen psychisch, physisch oder in sozialer Hinsicht fertig.
Wie Sie gleich sehen werden, auch durch das Ignorieren des Zeitfaktors.

Mit der langen Dauer versickert das Steuergeld und so mancher Bürger erlebt die Fertigstellung nicht mehr.
TIROL
Der als unbedingte und dringende Notwendigkeit bezeichnete Brennerbasistunnel wird bei der zukünftigen Inbetriebnahme auf eine 40 jährige (!!) Planungs- und Baugeschichte zurückblicken müssen.

WIEN / NIEDERÖSTERREICH
Der Lobautunnel ist jetzt schon 19 Jahre auf dem Papier unterwegs.
2002: Erste Entwurfsplanung der Wiener Stadtregierung, erste Kostenrechnung der ASFINAG –
2009: Beginn des UVP-Verfahrens –
2015: Positiver Bescheid der UVP durch das BVwG-
2018: Positiver UVP-Bescheid in zweiter Instanz bestätigt –
2021 Ministerium verkündet das Aus.

Seit Jahrzehnten wird die Bevölkerung des Inntals vertröstet, dass sich doch dann mit Hilfe des Brennertunnels die belastende Verkehrssituation mit all ihren Umweltkonsequenzen erheblich zum Besseren ändern werde.
Für die 2-Millionen-Stadt Wien wird seit 1982 (A21) an einem etwa 200 Km langen, hochrangigen Straßenring gebastelt. Nach 40 Jahren, kurz vor Vollendung, stoppt das Verkehrsministerium nun den letzten 19 km langen Abschnitt von Schwechat nach Süßenbrunn. Mit dem Hinweis, die Voraussetzungen hätten sich geändert. Ja natürlich, die Bevölkerung von Wien ist allein in den letzten 20 Jahren um ein Viertel angewachsen und nicht viel anders steht es um den Güterverkehr innerhalb Europas, der erwartungsgemäß keinen Bogen um Ostösterreich macht.

Aktivisten verfallen in Angst- und Wutzustände , wenn man dem Gefieder des Großen Triel zu nahe kommt. Die Bewohner von Essling, Aspern, Großenzersdorf und Raasdorf, die wegen der Bauverzögerung weiterhin Jahr für Jahr unter Schwerverkehr und Nachtlärm leiden werden, sind offenbar bedeutungslos.

Zukunftsprojekte brauchen drastisch höhere Umsetzungsgeschwindigkeit

Die Verwirklichung beschlossener Projekte so lange hinauszuzögern, bis sie keiner mehr haben will, ist eine wirkungsvolle Strategie, aber natürlich keine Erfindung unserer Zeit. Im Fall der Lobau steht noch nicht fest, dass sie funktioniert. Die bestehenden Probleme verschwinden nämlich nicht:

Auch in Zukunft braucht das nördliche Niederösterreich die Versorgung mit Gütern aller Art und deshalb auch leistungsfähige Straßen auch für Großtransporter.
Auch in Zukunft kann sich der Fernverkehr nicht ausschließlich durch Wien abspielen. Der Ring muss geschlossen werden.
Auch in Zukunft gibt es darüber hinaus beruflichen und privaten Individualverkehr (z.B. Pendler, Handelsagenten, Servicedienste usw.).
Auch in Zukunft queren Fahrzeuge die Donau, die vom Süden nach Norden fahren und umgekehrt.

Für all das bieten weder Fahrradstreifen noch die nicht existenten U-Bahnen/Nebenbahnen oder Schnellbusse Abhilfe. Und übrigens stoßen die kommenden „Heilsbringer“ E-Autos zwar kein CO2 aus, aber dennoch haben auch sie einen Platzbedarf und verteilen Feinstaub, wenn sie durch die Dörfer fahren.

Es ist absurd und wenig vertrauensweckend, dass die Verantwortlichen erst bei den letzten 10% der Ring-Strecke realisieren, dass man den ganzen Zauber nicht braucht, nicht will, und daher nicht baut. Weil „Straßen ziehen Autos an“. Mit der gleichen Begründung könnte man Wasserleitungen redimensionieren, weil die Leute sonst kostbares Wasser trinken. Manche waschen sich sogar damit.

Wenn die Republik Österreich den Lobautunnel nicht akzeptieren will, erkennt sie das 20 Jahre zu spät. Außerdem hätte sie dann längst eine leistungsfähige Ersatzplanung v e r w i r k l i c h e n müssen, sowohl für die Donauquerung, wie für die Umfahrung der betroffenen Orte. Offensichtlich gibt es für einen Ausweg B aber nicht einmal eine realistische Planung. Die kürzliche harsche Reaktion des Kärntner Landeshauptmanns zeigt, dass sich im südlichsten Bundesland ähnliche Szenen abspielen.

Zurzeit werden die Österreicher auf die Umstellung in kürzester Frist auf regenerierbare Energie eingeschworen. Der konsequente Elektrizitätsausbau gilt als Wundermittel. Dazu werden aber Schritte notwendig sein, die vorhersehbarer Weise die betroffene Bevölkerung mit Nachdruck bekämpfen wird. Wenn die Umsetzung also dasselbe Tempo entwickelt wie die Fertigstellung so mancher vor Jahrzehnten in den Bundesstraßenplan aufgenommenen Projekte, dann liebe Leserin, geschätzter Leser, sieht es real und metaphorisch finster aus für dieses Land.

©walter krammer (wct)

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