Es muss schon ein sehr begehrtes Produkt sein, das man ohne jeden Service an Mann oder Frau bringen kann. Oder aber es wurden dem an sich servicegewohnten Kunden über die Jahre mit überzeugenden Preisreduktionen seine vermeintlichen Ansprüche abgekauft.
In den 60er Jahren trippelten die Reichen und Schönen die Gangway herunter, ließen sich in die wartende Limousine fallen und ab ging die Post. Das erst, nachdem sie im neuesten Flieger ihren Lunch auf feinem Porzellan genossen hatten, der noch durch erlesene alkoholische Getränke aufgewertet wurde. Aber selbst die Coolsten wagen es nicht mehr solche Extravaganzen von einer Fluglinie zu fordern, die sie in einer sitzähnlichen Zwangsjacke um 19 EURO nach Amsterdam schippert.
Allerdings, es gibt auch die Meister des Service.
Nur kurz, dann hebt am anderen Ende eine Frauenstimme ab und begrüßt mich freudig mit meinem Namen. Offenbar eine Hellseherin. Tischreservierung? Geht in Ordnung. Sie notiert ohne weitere Frage den Platz, den ich immer habe. 3 Tage später ist alles wie es sein soll. Man hilft mir aus dem Mantel. Ein mir unbekannter Ober eilt heran, nimmt meinen Wunsch nach einer Melange entgegen und schließt gleich die Frage an, ob es – wie immer – eine Mohntorte sein dürfe.
Fast ohne mein Zutun bin ich gut aufgehoben und fühle mich geschätzt. Was ist der Trick? Die Crew ist gut, aber das würde nicht reichen.
Sie haben ein großartiges, hervorragend gepflegtes Kundenserviceprogramm auf ihrem PC, der im Cockpit des Servierpersonals steht. Genau dort, wo sie auch die Reservierungen entgegennehmen.
Szenenwechsel.
Wenn Madame ihre Kundenkarte in den Reader gesteckt hat, läuft im ambitionierten Wäschegeschäft ihr letzter Umsatz, ihre Körbchengröße, die bevorzugte Strumpffarbe etc. etc. über den Bildschirm. Die Beraterin hat auf einen Blick alle Informationen über die Kundin, die sie für ein freundliches, souveränes Beratungsgespräch braucht.
Beim Kaffee mit den Freundinnen schwärmt diese dann „Stell‘ dir vor, nach drei Wochen hat die Verkäuferin noch immer meine ….. “ Na klar!
Nicht anders verhält es sich, wenn Amazon Ihnen die ganze Liste der Grisham-Krimis mit Cover und Inhaltsbeschreibung anbietet. Einfach weil der dahinter stehende Algorithmus aufgrund Ihrer Suchaktionen und Bestellungen ziemlich treffsicher Ihre Lesegewohnheiten einschätzt.

Ohne Fleiß – kein Preis
Für den Unternehmer und das Personal ist hinter den Kulissen das Sammeln und Sichern solcher Kundendaten eine Knochenarbeit. Bei den Kunden kommt es, wenn es perfekt gemacht ist, als Wertschätzung an und macht umsatzfördernde Freude.
Was früher Marketing war, mutierte mit der Zeit zum Service. Wobei sich der Anbieter im Falle des Kundeninteresses nicht mehr nur auf ein zurückhaltendes Offerieren beschränkt. Es reicht nicht zu wissen, was der Kunde will. (Legendäre Werbung aus den 50er-Jahren: „Bauknecht weiß, was Frauen wünschen“). Sondern man erleichtert aktiv dem Kunden jeden Schritt zum Kaufentschluss und führt ihn anschließend an der Hand zur Verwirklichung..
Als Unternehmer muss man sich darüber Gedanken machen, was man sich in dieser Richtung zutraut, wie konsequent man sein will und kann. Das kostet richtig Geld. Viele übersehen, dass eine solche Strategie eine fähige und bestens ausgebildete Mitarbeitertruppe voraussetzt. Ich bin überzeugt, dass nicht zuletzt auf genau der Ebene in Zukunft der Konkurrenzkampf entschieden werden wird.
Kunden genießen und schweigen
Natürlich lernen Konsumentin und Konsument zu durchschauen, was da knallhart mit ihnen passiert. Dennoch wollen sie keineswegs auf den gewohnten Genuss oder im Supermarkt auf den wärmenden Rabattregen und die beliebten Sonderangebote verzichten.
Es geht um den Umsatz, den nicht das Produkt auslöst. Nicht ein dringend benötigtes Wunschding steht im Mittelpunkt, sondern die überwältigende Umarmung, die dem Ego so guttut und einem darüber hinaus auch noch lästige Entscheidungen abnimmt.
Die Sinnhaftigkeit der Datenschutzbestimmungen wird von manchen angezweifelt, mit dem Hinweis, dass sich viele Konsumenten, soweit es ihre persönlichen Daten anbelangt, freiwillig für eine Kundenkarte „bis auf die Unterwäsche ausziehen“, .
Und weil wir schon davon reden: nächste Woche komme ich mit einem elektrischen BMW vorbei. Der Mechaniker holt meinen alten Renault zur Reparatur ab und stellt mir kostenlos den Bayern zur Verfügung. Natürlich nur für ein paar Stunden und weil ich die goldene RaceCard habe.
Super! 😎
Denksport
Mit welchem tatsächlichen zusätzlichen Service könnten Sie das Erreichen von kleinen, mittleren oder großen Zielen beschleunigen? Nehmen Sie Anleihe am Beispiel anderer und biegen Sie erfolgreiche Strategien auf Ihr Unternehmen zurecht. Setzen Sie die Vorteile Ihres Kleinunternehmens ein (z.B. Flexibilität, persönlicher Kontakt, Umsetzungsgeschwindigkeit)
Denken Sie nicht als Unternehmer, sondern als Konsumentin bzw. Konsument.(Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Fischer)
Wichtig: Zuerst entwickeln Sie die Idee und dann kommt erst die Frage der Finanzierung. Nicht umgekehrt. Ihr Projekt ein wenig kleiner machen – das können Sie immer noch..
© walterkrammer (wct)