2022 trieben es die KV-Verhandler im Handel bis zur Streikdrohung. Schließlich waren aber beide Seiten froh sich die Arbeitsniederlegung nicht antun zu müssen. Zumindest hatte man einander gezeigt, was man kann. Die Unternehmer wurden vom Bundesspartenobmann Dr. R. Trefelik angeführt.
Zu KV- Verhandlungen rüsten sich einmal im Jahr jeweils auf beiden Seiten die Experten und warnen ihre Familien, dass es jetzt ein paar Tage „spät werden“ werden könnte. Abgesehen von der faktischen Bedeutung der Ergebnisse, dürfen diese nicht zu schnell vorliegen, weil sonst die große Zahl der Betroffenen eine unangemessene Nachgiebigkeit der eigenen Verhandlungstruppen vermuten könnte. Gut kommen Fotos, die um 2 Uhr früh Herren zeigen mit in der Aufregung geöffneten Hemdkragen und Damen, die sich offenkundig die Haare gerauft haben ob der gegnerischen Widerspenstigkeit. Klappern gehört auch beim KV zum Handwerk.
Heuer konnten die beiden Seiten sich Symbolhandlungen für die Galerie sparen, weil tatsächlich von der Routine abweichende Grundsatzfragen die Treffen beherrschte. Vorausschickt sei, dass es wie immer um die Bezahlung von fast einer halben Millionen Menschen ging, allerdings nicht unter den üblichen wirtschaftlichen Bedingungen.
Inflationsentwicklung als Bremse
Neben gängigen Verbesserungsforderungen für die Handelsangestellten im Rahmenbereich gab es den bestimmenden Faktor einer ungewöhnlichen Inflationsentwicklung, welche zu allem Überdruss auch noch nach den KV-Verhandlungen der Metaller unvermindert weiterging. Ein Grund für die Handelsgewerkschafter den Vergleich mit den Metallern nicht gelten zu lassen, weil deren Ergebnis „schon Schnee von gestern“ war. Der Druck war demzufolge höher als sonst.
Der Handel ist keine homogene Versammlung von Unternehmern . Wie in ganz Europa sind auch in Österreich die kleinen und mittelständischen Betriebe in der Mehrzahl und das in zahllosen Branchen. Ungeachtet dessen können und sollen die Probleme der großen Konzernbetriebe mit einer in die Tausende gehenden Zahl von Angestellten nicht außer Acht gelassen werden.
Neben der Höhe des Abschlusses war die Frage der Kombination von in die Zukunft wirkenden Gehaltserhöhungen plus Einmalzahlungen ein heißes Thema. Die Gewerkschaften haben sich für ausschließlich dauerhaft geltende Erhöhungen entschieden, obwohl die Einmalzahlungen eine für die Arbeitnehmer steuerlich günstigere Behandlung erfahren hätten. So einigte man sich nach einem Wink mit dem Streik-Zaunpfahl auf rd. + 7% bzw. 145 EURO mindestens auf den KV.
Nun mag es in der Unternehmerschaft da und dort Kritik an der Höhe des Abschlusses geben, aber sogar sie kann bestenfalls den Status quo in der Personalsituation des Handels erhalten, auch wenn die Arbeitgeber darauf achteten sowohl die finanzielle Situation der Berufseinsteiger wie auch der in Ausbildung befindlichen Arbeitnehmer überdurchschnittlich zu verbessern.
Personalmangel bedroht die Handelsszene
Immer mehr Kunden bemängeln, dass es über weite Strecken mit der Qualität des Verkaufspersonals im Handel nicht zum Besten steht. Daran werden auch die 7% nichts ändern. Meine letzten derartigen Erlebnisse als Konsument waren wenig ermutigend. Auf einschlägige Hinweise wird häufig die Personalnot ins Treffen geführt. Die Kritik der Konsumenten bezieht sich aber nicht auf diejenigen, die es nicht gibt, sondern auf die Inkompetenz so mancher Verkäufer, denen man auch in sonst durchaus geschätzten Geschäften begegnen kann.
Angesichts der Arbeitsmarktprognosen bis in die 40er droht die Aussicht, dass – wenn die Unternehmensführungen keine Gegenmaßnahmen setzen – das Fachpersonal an allen Ecken und Enden fehlen wird. Für den Handelsbereich ist es ein dringendes und permanentes Muss mit Nachdruck Menschen zu finden, die Freude an dem Beruf haben, der ihnen ein Leben lang einen wissensbasierten Kontakt zu den Mitmenschen verschafft und diese erstklassig auszubilden. Es gilt auch für den Verkauf das Wort, das der Schweizer Bundesrat Adolf Ogi auf die Politik gemünzt hat: MENSCHEN MUSS MAN MÖGEN. Verkäufer zu sein bedeutet neben dem Fachwissen tatsächlich jederzeit den Zugang zu den Kunden im Auge zu haben. Im eigenen Interesse müssen die Branchen und ihre Mitglieder ohne Kleinkrämerei den Turn-around schaffen, dem Kunden ständig ein sympathisches, kompetentes und hilfsbereites Team zur Verfügung zu stellen. Ein Aufwand der kostspielig, jedoch alternativlos ist, will man den stationären Handel am Leben erhalten.
©walterkrammer(wct)
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