Nr. 75 – Die Kalte Progression – endlich Vergangenheit!

wordcraft.at / Handelsagenten Spotlight
Finanzminister Brunner schätzt den Vorteil der Steuerzahler 2023 auf 1, 8 Milliarden. Was ist das Wesen der Kalten Progression und wie wird das Problem gelöst?

 

Den meisten Steuerzahlern konnte es in der Vergangenheit passieren, dass sie durch eine Lohn-, bzw. Gehaltserhöhung oder einen Gewinnzuwachs zumindest mit einem Teil in die nächsthöhere Tarifstufe gerieten und dann der Nutzen der höheren Einnahme im Netto nicht den Erwartungen entsprach.
Unser Einkommensteuersystem kennt derzeit 7 Stufen. Für die angeführten Stufen zahlen Sie 2022 folgende Prozentsätze. Wobei es darauf ankommt, wie viele Tarifstufen i h r  Gewinn erreicht.
für die ersten 11.000                             0 %      EST
über 11.000 bis 18.000                       20 %      EST
über 18.000 bis 31.000                       32,5 %   EST
über 31.000 bis 60.000                       42 %     EST
über 60.000 bis 90.000                       48 %     EST
über 90.000 bis 1.000.000                  50 %      EST
über 1.000.000                                    55 %     ESTZum besseren Verständnis 2 Beispiele (Dabei werden der Einfachheit halber Absetzbeträge u.Ä. nicht berücksichtigt.):Für 15.000 Euro Gewinn bezahlen Sie für die ersten 11.000.- EURO gar keine Einkommensteuer. Für die weiteren 4.000.- Euro kostet Sie die Steuer 20%, das sind 800 Euro. Fertig.
Für 30.000 Euro Gewinn bezahlen Sie für die ersten 11.000.- EURO gar keine Einkommensteuer. Für die weiteren 7.000 Euro (Stufe 2 = 11.000 bis 18.000 Euro) zahlen Sie 20%, das sind 1.400.- Euro. Bleiben noch 12.000.- Euro in der Stufe 3 mit 32,5% zu versteuern, das sind 3900 Euro. Dann werden die 3 Posten    0 + 1.400 + 3.900 zusammengezählt und Ihre Einkommensteuer beträgt 5.300 Euro. Und so geht das weiter bis x Millionen.Was Ihnen auffällt ist, dass das System für den doppelten Gewinn nicht die doppelte Steuer verlangt, sondern mehr als das 6-fache. Bei einer linearen Steuerberechnung würde die Steuer beim 2fachen Gewinn das Doppelte, bei einem 3fachen Gewinn drei Mal so viel ausmachen. In Österreich haben wir aber eine stufenweise progressive Berechnung. Sie können sich mit der oben gezeigten Methode die „Freude“ machen selbst auszurechnen, in welche Steuerbetragshöhen Sie kämen, würde sich Ihr Gewinn verdoppeln.

TIPP > Es zahlt sich also schon aus, auch den kleinsten Beleg brav in die Buchhaltung einfließen zu lassen.

 

Überlegen Sie mit mir:
Das bisher Gezeigte ist für den Steuerzahler nicht erfreulich. Aber die Progression wird von dem Gedanken getragen, kleine Einkommen nicht dadurch zu belasten, dass sie in linearer Weise im Verhältnis zu großen Einkommen behandelt werden. Wäre das so, müsste man den Schuh umdrehen und sagen: 30.000 Euro Gewinn ergeben eine Steuerlast von 5.300.- daher zahlt man für 15.000.- Euro Gewinn 2.650.- Steuer. So ist es aber nicht, sondern es sind nur 800.-

Die Wirkung der Kalten Progression
Die ganze Zeit gab es noch einen zusätzlichen Pferdefuß, nämlich die Kalte Progression. Sie wissen jetzt, dass Progression die nicht im Verhältnis zur Steuerberechnungsbasis stehende Steigerung der Steuer bedeutet (siehe oben). Sie bedeutet, dass auch im Fall, dass an der Steuerschraube überhaupt nicht gedreht wird, das Steuervolk nominal immer mehr bezahlt. Was heißt das?Betrachten wir den Verkaufsleiter Otto Schnaubl, der in mehreren aufeinander folgenden Jahren folgendes Jahreseinkommen hatte: 30.000.-, 33000.-, 36.300.-, 40.000.-, 44000.-, 48400.- Jedes Jahr also um ca. 10% mehr verdiente. In jedem Jahr soll es 5% Inflation gegeben haben. Die Hälfte des Zuwachses hat seine Kaufkraft nicht verbessert, weil ja alles um 5% teurer wurde. Nur mit der anderen Hälfte gab es die Erfüllung zusätzlicher Wünsche.Im Finanzamt allerdings konnte man sich über die Jahre die Hände reiben:Im Jahr 1 hat er 11.000.- Euro mit 0%, 7.000.- Euro mit 20% und 12.000.- Euro mit 32,5 % versteuert = 0 +1.400 +3.900. Ergibt 5.300.-
Im Jahr 2 war fast alles gleich nur war Schnaubl im Zuge seiner 10%-Gehaltserhöhung mit 2.000 Euro in die nächste Tarifstufe 4 geraten, die schon satte 42% verrechnet, statt der bisher gewohnten 32,5%.Sie erinnern sich: Unsere Annahme war, dass Schnaubl jedes Jahr 10% mehr auf seinem Lohnzettel hat und die Inflation jährlich 5% verbraucht. Wir konnten im Herbst die Kollektivvertragsverhandlungen beobachten und wissen, dass der Ausgleich für die steigende Inflation einen wesentlichen Anteil an den Lohnzuwächsen hatte.

Alle betroffenen Steuerzahler sind damit mit ihrem jetzt höheren Einkommen entweder in  i h r e   jeweils höchste Tarifstufe weiter hineingewachsen (und alle Zuwächse werden in der jeweils höchsten Tarifstufe versteuert) oder sie haben damit womöglich sogar die Tarifstufengrenze überschritten, haben damit die nächsthöhere Stufe „angeknabbert“ und werden dort in Zukunft ihre weiteren Einkommenszuwächse mit einem höheren Prozentsatz versteuern.

Dass Schnaubl für den realen Zuwachsteil von 5% mehr Steuer bezahlt, ist gerecht. Dass er aber für die andere Hälfte seines Zuwachses, die ihm die Inflation gleich wieder wegnimmt, zusätzlich auch noch in seiner (neuen) höchsten Tarifstufe Steuer bezahlen soll, verdankt er der in diesem Beitrag geschilderten seit Jahrzehnten heftig kritisierten Kalten Progression. Alle Finanzminister haben das hingenommen, weil sie – ohne durch Steuererhöhungen unangenehm aufzufallen – ein ständig wachsendes Körberlgeld einstreifen konnten.

 

Wie wird das verhindert?
Dadurch, dass auf Vorschlag der Regierung die Grenzen der Tarifstufen per Gesetz mit der Geldentwertung mitwachsen werden. Das sieht ab 1.1.23 so aus:

 

für die ersten 11.693                  0%
über 11.693 bis 19.134             20%
über 19.134 bis 32.075             30%
über 32.075 bis 62.080            41%
über 62.080 bis 93.120            48%
über 93.120 bis 1.000.000       50%
über 1.000.0001                      55%

 

Sie sehen, dass nicht nur die Tarifstufengrenzen nach oben verschoben wurden, sondern auch 2 Tarifstufenprozentsätze gesenkt wurden. Ebenso werden jeweils die Absetzbeträge angepasst werden. Dieser Beitrag ist kein Steuerseminar. Bitte lesen Sie alles, was Ihnen in die Finger kommt über die Beseitigung der Kalten Progression genau. Checken Sie, in welcher Weise Sie betroffen sind.

 

©walterkrammer(wct)

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