Nr. 77 – Storytelling – heutzutage unersetzlich

wordcraft.at / Handelsagenten Spotlight
Hier soll nicht von den „Märchenerzählern“ die Rede sein, die einem mehr oder minder Glaubwürdiges präsentieren, wenn es um ihren Zahlungsverzug geht. Vielmehr beschäftigen wir uns mit der Frage, warum wir Menschen Geschichten lieben. Und wie wir diese Vorliebe im geschäftlichen Umgang nützen können.

Geschriebene oder erzählte Geschichten sind die Quellen von Bildern, die unser Gehirn produziert. Bilder wieder faszinieren uns. Denken Sie nur an die Weisheit „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte“ Die von der jeweiligen Geschichte verursachten Bilder in unserm Kopf sind anschaulich, aktivieren oft auch unsere Gefühle und „halten“ länger.

Meine Volksschullehrerin
stellte uns in der 1. Klasse täglich einen anderen Buchstaben vor. den sie jeweils einem riesigen Setzkasten entnahm. „… heute, beim Hereinkommen, hörte ich etwas im Setzkasten schnarchen …“ war der Anfang ihrer Geschichte zum CH, die wir – wie immer – mit Spannung erwartet hatten. Heute, 74 Jahre später, verschwende ich keinen Gedanken an den längst geläufigen Digraph CH, aber die Szene im Klassenzimmer habe ich noch immer vor Augen.

Vor Jahrzehnten
beschränkte sich die Werbewirtschaft darauf das Produkt mehr oder minder statisch abzuphotographieren. Heute zeigt man selbstverständlich entweder die komfortable Anwendung oder den in Aussicht gestellten Nutzen, meist in ein Kurzgeschichten-Video verpackt. Manchmal steht dieses mit dem Produkt nicht einmal im direkten Zusammenhang, sondern vermittelt nur den Firmen- oder Produktnamen kombiniert mit guter Stimmung.
Wir alle halten das mittlerweile für normal. Auch in der Apotheke wollen wir nicht bis ins Letzte die Wirkstoffe des Medikaments erfahren, sondern eher die Story wie schnell es uns wieder besser gehen wird.

 


Wirken „G’schichteln“ überhaupt auf der immer als rational angesehenen Geschäftsebene?

These: Der Einkäufer will keine Geschichten hören.
Gegenargument: Will er schon, sie müssen halt gut sein. Ich selbst verwendete die eher schräge, aber wahre Story über einen meiner Prinzipale, der seinen Jaguar an seiner eigenen Laderampe zu Schrott fuhr, ausstieg und sich mit dem Handy beim Händler einen neuen bestellte. Interessant war, dass er keinen Konzern, sondern nur einen mittelständischen deutschen Betrieb mit 200 – 300 Mitarbeitern führte. Botschaft an den Einkäufer: mit diesen Produkten verdient man offensichtlich gutes Geld. Einen Jaguar als Beleg kann man nicht ignorieren.  Gute Geschichten sind unwiderstehlich. Gehört ist eben gehört.Die Story im Verkauf oder im Marketing erleichtert es dem Adressaten die Nachricht, die Botschaft by the way zu schlucken. Daniela Rorig bezeichnet in ihrem sehr ausführlichen Buch TEXTEN KÖNNEN (Rheinwerkverlag, Bonn 2020) Geschichten im Marketingtext als “Trojanische Pferdchen, mit denen Leser schmusen wollen – die aber handfestes Marketing im Bauch haben“.

Dasselbe gilt natürlich auch für Verkaufsgespräche. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass diese Vorgangsweise dem Gesprächspartner und dem Ton der Unterhaltung angepasst sein muss. Nicht aufgesetzt, nicht gekünstelt, mit einem Schuss Humor versetzt. Daher, dem Vorstandsvorsitzenden eines möglichen Kunden ordinäre Witze zu erzählen, entspricht nicht der empfohlenen Methode des Storytellings.

 

Sprache, die man sehen kann. 

Storytelling hat viel mit bildhafter Sprache oder erklärenden Vergleichen zu tun. Nicht selten dient es dem Vermeiden von komplizierten Sachdarstellungen, wenn man den Punkt durch einen gängigen landläufigen Ausdruck trifft oder Begründungen für Zustimmung oder Ablehnung in einen Vergleich kleidet, den auch der Laie auf Anhieb versteht. Fachleute empfinden das häufig als Banalisierung (weil sie Wert darauf legen sich immer präzise auszudrücken).
Aber was muss man beim Kamel, „das nicht durch’s Nadelöhr geht“, noch weiter erklären? Geht nicht. Aus. Ende. Fertig.
(Übrigens weiß man heute, dass unsere Geschichte in der deutschen Sprache ein Übersetzungsfehler war. Das Kamel war nämlich kein Kamel, sondern ein Tau oder Seil. Aber auch das ging nicht durch die kleine Öffnung.)

Zusammenfassung

Storytelling ist für jeden möglich, weil wir alle tagtäglich unserer Umgebung Geschichten erzählen. Lustige, traurige, interessante und uninteressante, rührende und unwahrscheinliche, berufliche und private und wir manchmal darin als Held oder Opfer auftreten. Weil wir, wenn sie nicht die gewünschte Wirkung zeigen, beim nächsten Mal die Story ein wenig ausbauen oder richtig übertreiben. Kurzum, wir können es!
Es spricht nichts dagegen diese prächtige Fähigkeit, die wir bis jetzt gar nicht wirklich beachtet haben, auch noch für das Geschäft zu verwenden.
Allerdings sollten wir uns an ein paar Regeln halten, die Erfolg versprechen.

 

Einen wichtigen Schritt in die Rolle des professionellen Storytellers können Sie mit dem Besuch des 16. Workshops des Gremiums der Handelsagenten machen. Am 2.2.23 um 14 Uhr im Haus der Wiener Wirtschaft.

Trainerin Mareike Tide wird unser Storytelling noch professioneller machen.

Ich gehe auf jeden Fall hin. Denn auch beim geübten Storyteller ist noch Luft nach oben.


©walterkrammer(wct)

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