„Optimismus gepaart mit Realismus ist jetzt am Platz“
Folgen von Corona und KriegsgewaltMit Corona ist in Europa einiges anders geworden. Nicht nur auf medizinischem Gebiet. Anfangs unterschätzte Gräben (man denke nur an die mit aller Härte durchgeführten Impfdiskussionen) durchziehen die Gesellschaften der EU-Länder. Der Krieg in Europa mit seinen geopolitischen Auswirkungen, der Unterbrechung der Lieferketten, der Verlagerung zu anderen Energiestrategien oder dem Einsatz fast unvorstellbarer Geldmittel – alles Dinge, die die ältere Generation schon lang nicht, die Jüngeren noch gar nicht erlebt haben. Aber dennoch hat man in Österreich nicht die Hände in den Schoß gelegt. Auch in der internationalen Wirtschaft hat man sich auf diese Hürden weitgehend eingestellt. Andererseits sind die Ziele hinsichtlich der Energieumstellung auch nicht auf die leichte Schulter nehmen.Natürlich hinken die Umsatzzahlen der Zeit vor Corona noch etwas hinterher. Aber die Menschen wollen wieder ihr Leben zurückhaben und wir sind auf einem guten Weg.Kostenentwicklung schafft Probleme„Die Kostensituation im Handel, z.B. bei Energie, Personal, Miete ist eine echte Herausforderung, die jeden einzelnen Unternehmer auf die Probe stellt. Aber mittlerweile zeigen die Preisindizes bei Energie schon wieder stark nach unten.
Der Mangel an fachlich versierten Arbeitskräften lässt sich nicht durch ein Fingerschnippen beheben. Die der Inflation geschuldeten Kollektivvertragsabschlüsse und noch mehr die wenig sensible Forderung der Gewerkschaften nach Arbeitszeitverkürzung, kann man für die Unternehmen nicht gerade als hilfreich bezeichnen.“ skizziert Trefelik die den Handel betreffenden Frontlinien.
„ Die staatlichen Ausgleichszahlungen waren unerlässlich, sonst wäre die österreichische Wirtschaft binnen kurzem unter Wasser gestanden. Aber das ist keine Dauerlösung. Daher ist der Anpassungsdruck in der Wirtschaft, aber auch in der medizinischen Versorgung beträchtlich.Arbeitskräftemangel weniger mit Ideologie und mehr mit Hausverstand lösenObwohl der Handel seinen Mitarbeitern Arbeitszeitflexibilität über weite Strecken anbieten kann, aber für die Befriedigung der Kundenwünsche seitens des Personals eine ebensolche benötigt, meldet er 21.000 offene Stellen, denen 38.000 Arbeitslose aus dem Handelsbereich gegenüberstehen.Schließtage, wie die Gastronomie sie zunehmend einführt als Reaktion auf das fehlende Personal, sind für den stationären Handel keine Option. Die durchgehende Marktpräsenz des Einzelhandels ist lt. Trefelik Voraussetzung für das Überleben. „Ausgefranste“ Einkaufs-straßen sprechen Bände.
Der Aktivierung der Frauen (also Frauen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu bewegen oder dazu von „geringfügig“ oder Teilzeit auf Vollarbeitszeit umzusteigen) gibt Trefelik wenig Chancen. Einerseits, weil nur ein Teil der Frauen durch Kinder oder andere Care-Verpflichtungen von bezahlter beruflicher Arbeit abgehalten wird und andererseits, weil z.B. eine Verdoppelung der Wochenarbeitszeit individuell nicht zu einer ebensolchen Erhöhung des Nettoeinkommens führt. Sozialversicherungsbeiträge und Steuer üben sofort eine Bremswirkung aus.
Dazu kommt, dass die stetige Verbesserung der Lebensbedingungen in EU-Ländern die Anwerbung von Fachkräften aus diesen Ländern immer schwieriger macht.
Und schließlich wird man in den „hausgemachten“ Kindersegen in Österreich aufgrund der demografischen Entwicklung auch keine allzu großen Hoffnungen via Baby-Boom setzen können. Für eine schnelle Erleichterung hätte dieser Weg überdies eine zu lange Vorlaufzeit.
So liegt die Haupterwartung bei Einwanderern und Asylsuchenden, die in kurzer Zeit durch Integration für sich selbst die Möglichkeit schaffen in Österreich beruflich erfolgreich zu werden. Allerdings kann bis jetzt kein EU-Land dafür eine Blaupause präsentieren, die nachweislich über längere Zeit funktioniert und zugleich die gesellschaftliche Akzeptanz vorweisen kann, die in einem demokratischen Staat unerlässlich ist.
In dieser Frage innerhalb der EU ständig von anderen Staaten mehr Engagement zu verlangen, kostet nur wertvolle Zeit.
Arbeitszeitverkürzung
Nachdem die Arbeitnehmervertreter bei den Kollektivvertragsverhandlungen angesichts einer hochfliegenden Inflation ihre finanziellen Wünsche guten Teils durchsetzen konnten, pochen sie nun auf Arbeitszeitverkürzung. Diese würde eine starke Motivation für in Beschäftigung stehende Menschen darstellen und bis jetzt nicht erfasste zu einem unselbständigen Berufsleben bewegen.
Die 4-Tagewoche in Bezug auf die Geschäftsöffnung lehnt Trefelik aus weiter oben genannten Gründen für den Einzelhandel nachdrücklich ab.
Wenn die Geschäfte konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen sie auch in Zeiten zur Verfügung stehen, in denen Kunden einkaufen wollen und können.
Als Konzept für die Mitarbeiteranwesenheit (bei gleichbleibender Stundenzahl und Bezahlung) hängt vieles von der Größe des Betriebes ab und erfordert darüber hinaus einen höheren Organisationsaufwand, der auch höhere Kosten verursacht. Und der mit jeder personellen Änderung eine Nachjustierung verlangt.
Wenn der gesellschaftliche Druck in diese Richtung immer größer wird, müssen mit Gewerkschaften und Gesetzgeber Möglichkeiten gefunden werden, die es dann auch kleinen Handelsunternehmen möglich macht, daran teilzunehmen. Siehe Samstag-Regelung.
Wir spielen nicht WÜNSCH DIR WAS
„In Wirklichkeit gehen die Arbeitnehmervertreter aber auf’s Ganze.“ vermutet BSO Trefelik.
„Ihr Traum ist: ein paar Stunden pro Woche weniger arbeiten, aber ohne Lohnanpassung. Auf gut Deutsch bedeutet damit die Reduktion von 40 auf 35 Stunden nochmals eine kalte Lohnerhöhung von 12,5 %. Produktivitätsreserven dieser Art gibt es aber im Handel nicht, z.B. beim Juwelier, im Schuhgeschäft, beim Optiker oder in der Bekleidungsbranche.“
Fotocredit WKO Harald Klemm
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