1.) Wie gut sind die Auftraggeberinformationen?
Laut Auskunft europäischer Agenturchefs ist der Wert der von den Herstellern angebotenen Schulungsprogramme überschaubar. In den 40 Jahren meiner Tätigkeit als HA für europäische Unternehmen, ist mir etwas, das die Bezeichnung „Schulungsprogramm“ wirklich verdient hätte, betreffend die Herstellerprodukte oder die Finessen der Erzeugungsvorgänge, überhaupt nie begegnet. 1 Stunde vor Messebeginn musste da reichen. Vielleicht war es auch ein Missverständnis, weil die Firmenleitungen einfach auf die Fach- und Branchenkenntnisse der engagierten Handelsagenten vertrauten.
Auf jeden Fall zeigt die Umfrage, dass es in dieser Hinsicht Luft nach oben gibt.2.) Anerkennung durch die Geschäftsherren
In diesem Punkt sind die Amerikaner völlig happy mit ihren Erzeugern, die Europäer mit ihren hiesigen Partnern eher weniger.
Alle Leserinnen und Leser, die schon mehr mit Amerikanern zu tun hatten, werden gleich verstehen, was ich meine. Eines der ersten Dinge, die einem Europäer auffallen, ist der ernst gemeinte Hang zum übertriebenen Lob. Was wir in Europa zu wenig tun, geschieht in den Staaten im Überschwang. Bleibt es dort aus, grenzt das schon an Tadel. Den europäischen Eltern versuchen Psychologen seit Jahrzehnten beizubringen, dass nachdrückliches Lob das Selbstvertrauen ihrer Kinder stärkt.
Diesen in der Studie aufgezeigten Punkt halte ich schlichtweg für eine kulturelle Divergenz zwischen den USA und Europa (freue mich aber dennoch weiter sehr über positive Resonanzen von Ihnen 😊
3.) Das Verhältnis zu den Auftraggebern.
Ein heikles Thema, dessen Einschätzung jeweils sehr mit dem Naturell und den psychologischen Bedürfnissen der handelnden Personen zusammenhängt. Natürlich habe ich ebenso unterkühlte Beziehungen zum Geschäftsherrn beobachtet und erlebt. Auch kann es damit zusammenhängen, dass Europäer kritischer und hinterfragender sind als man es in den USA gewohnt ist. Nach meiner Erfahrung spielen sich jedoch auch dort Meinungsverschiedenheiten – wenn es sein muss – genauso ab, wie bei uns: direkt bis unfreundlich. Es bleibt nichts anderes übrig als sich an den Ergebnisbericht von Prof. Bergestuen zu halten.
Der sagt, dass amerikanische Handelsagenten das gute Verhältnis zu den Geschäftsherren für wichtiger halten als den Provisionssatz. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass es zwischen den beiden Größen Zusammenhänge gibt. Ich traue dem Ergebnis nicht, dass sich dies in Europa nicht ähnlich verhält.
Wie wir alle wollte ich immer ein (sehr) gutes Verhältnis zu den Kunden herstellen. Warum also sollte ich das nicht auch zu dem größten Influencer meiner Vertretung versuchen? Das scheint mir nicht logisch.
4.) Misstrauen hinsichtlich der Marktbearbeitung.
Eine Vorgangsweise, die in Europa zwischen Handelsagenten und Erzeugern immer wieder zu Zwist führt, scheint in den USA für weniger Aufregung zu sorgen. Viele Erzeuger bearbeiten unterschiedliche Firmenmärkte auch mit verschiedenen Instrumenten: Handelsagenten, angestellten Reisenden, Importeuren im Ausland, Großhändler (deren Reichweite fallweise in Gebieten der Handelsagenten zu Provisionsverlusten führt) und die „lieben“ Direktionskunden.
Wenn möglich lassen manche Hersteller es in diesem Zusammenhang auch an der erforderlichen Transparenz mangeln. Wobei es oft nicht nur um ökonomische Vorteile für das Unternehmen geht, sondern als Nebeneffekt um die enge Steuerung und Kontrolle des Außendienstes, die bei einem Handelsagenten schon von Gesetzes wegen nicht möglich ist.
Zum Schluss die diesbezüglichen Zahlen: während in Österreich die befragten Handelsagenten berichten, dass 81% ihrer Auftraggeber auch eigene Verkaufsteams ins Feld schicken, sind das in den USA nur 45%.
©walterkrammer(wct) |