In den Medien ist häufig von der geringer werdenden Wettbewerbsfähigkeit Europas die Rede. Jüngst überraschte die Nachricht, dass eine deutsche Konzerntochter mit Windenergietechnik Milliardenverluste generiert. Die Chinesen sind dem Vernehmen nach auf dieser Ebene bereits weit voraus, wie sie auch – wenn die Prognosen stimmen – den Markt der günstigen Mittelklasse -E – Autos abräumen werden. Da geht’s nicht mehr um Peanuts, weil beträchtliches europäisches Kapital und zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.
Spotlight kann das nicht verifizieren. Vielleicht sind es nur Gerüchte. Aber es lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den Begriff der Wettbewerbsfähigkeit. Solange Produkte aller Art, Handwerksarbeit, künstlerische Aktivitäten, die Herstellung von Lebensmitteln, medizinisches Wissen etc… nur einen überschaubaren (lokalen) Markt bedienten, hielt sich die Konkurrenz in Grenzen. Als die Handelsflotten der Seefahrernationen Güter von den sagenumwobenen asiatischen Gebieten wie Gewürze, Stoffe und andere noch unbekannte Exotika in den europäischen Häfen zum Kauf anboten, kamen alte europäische Konkurrenzverhältnisse ins Wanken. Den Einfluss des Neuen – denken Sie nur an den Buchdruck – kann man nicht unterdrücken. Vielleicht eine Zeit lang mit List und Tücke, aber nicht auf Dauer. Vor allem, wenn die Zahl der Abnehmer laufend größer und die Kundenschichten immer unterschiedlicher werden. Der Drang nach Reichtum und die Wissensbegierde der Aufklärung trieben Europa und dessen Ableger in Nordamerika voran.Nach dem 2. Weltkrieg hieß das Zauberwort Wirtschaftswachstumund die USA hatten sich als erste Weltmacht etabliert. Man begann „groß“ zu denken, Deutschland und Frankreich begruben ihre Rivalität, die europäische Wirtschaftsgemeinschaft nahm ihren Anfang. Die demokratische Staatsform bezog die Bevölkerungen Europas mehr und mehr in den Wirtschaftsaufschwung mit ein. 1989 wurde dieses Europa mit einem Schlag größer. Das Schlagwort von der „Globalisierung“ war die logische Folge. Dabei war wahrscheinlich Digitalisierung die wichtigste Komponente.
Allerdings war auf dem Weltmarkt – für viele unerwartet – z.B. ein Erzeuger aus Südkorea plötzlich der größte Konkurrent eines Unternehmens aus – sagen wir – Mödling. Aber die Europäer hatten immer noch einen guten Vorsprung.
Heute scheint dieser zu schwinden.
Frage: Wer macht Österreich wettbewerbsfähig?
Antwort: Jeder von uns
Beispiel: Hoffentlich nicht existent, zweifellos absurd, aber lehrreich:
Sie fahren in einen europäischen Fremdenverkehrsort auf Urlaub.
Von den drei Wirtshäusern haben 2 ohne Ankündigung geschlossen, das Dritte präsentiert eine 2 Zeilen umfassende Speisekarte, das Bier schmeckt schal.
Der einzige Geißler im Ort scheint die Preise seiner Ware zu würfeln.
In der Pension, in der Sie und Ihre Familie Quartier bezogen haben, fühlen Sie sich permanent als Störenfried.
Die Mannschaft am Sessellift hat Sie und drei andere Skifahrer am Abend 3 Meter über dem Boden vergessen und ist nach Hause gegangen zu ihren Lieben.
Sie und Ihre Kinder frieren sich an der Haltestelle die Zehen ab, bis Ihnen jemand im Vorbeigehen sagt, dass der Bus doch am Samstag nie fährt, obwohl er im Fahrplan steht.
Die Sparkasse sperrt Ihnen die Türe vor der Nase zu, weil der Kirchturm 12 läutet.
Werden Sie dort wieder ausspannen wollen? Wird Ihre Familie das wollen?
Kann der freundliche sachkundige Schuster, der Ihren Bergschuh innerhalb eines Tages perfekt und kostengünstig repariert hat, an dem Desaster etwas ändern?
O.K. Legen wir noch den liebenswürdigen Bäcker mit den duftenden Semmeln auf die Waagschale.
Würden Sie wegen eines Schusters und wegen eines Bäckers noch einmal in dieses hoffnungslose Kaff fahren?
Die Pointe der Geschichte ist, dass a l l e „richtig anziehen“ müssen, wenn die Interessen des Ganzen gewahrt werden sollen.
Selbstverständlich sind für die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Wirtschaft mit ihren vielen riesigen bis kleinsten Unternehmen tätig ist, die Wirtschaftspolitik, Geldpolitik, Steuer- und Sozialpolitik usw. zuständig. Wobei Forschungsförderung, Vorrang von Bildung, Berufsausbildung und Arbeitsmarktmaßnahmen von besonderer Bedeutung sind, wenn die Volkswirtschaft erfolgreich und wettbewerbsfähig sein soll.
Auch sie als Ganzes muss sich auf den Weltmärkten zum Vorteil ihrer Bevölkerung durchsetzen. Darum ist es ja so wichtig, dass alle politisch Verantwortlichen sich engagiert darum kümmern, wohin unser gemeinsames Schiff gesteuert wird, statt darüber zu streiten, wer den Kloschlüssel verloren hat.
Im Detail liegt der Grad der Wettbewerbsfähigkeit an uns allen.
Meine Stadt gilt nur als vorbildlich freundlich, wenn ich es auch bin.
Unsere Gastronomie wird weltweit anerkannt, wenn der gute Standard in Produktion und Service im Großen und Ganzen alle Ebenen erfasst.
Unser Einzelhandel besticht, wenn zumindest Kundenbetreuung und Verkaufsorganisation beispielgebend sind.
An einem innovativen Industriestandort sollten nicht ganze Branchen in Forschung und Technik hinterherhinken.
Unsere Schulen müssen – auch wenn das schwer ist – die jungen Leute insgesamt an die Spitze in Europa führen.
Im Verkehrssystem sollten Schnelligkeit, Sicherheit, Pünktlichkeit und Sauberkeit sprichwörtlich sind.
Man erkennt, dass unsere gemeinsame Wettbewerbsfähigkeit ein Puzzle ist mit ungezählten Steinen.
Mit einem Wort: Jede und jeder von uns – wo immer sie/er steht – ist wichtig!
Unsere Leistung wird gebraucht.
Österreichs Wettbewerbsfähigkeit geht uns alle an, weil sie uns allen nützt.
© Walter Krammer (wct.)
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