Nr. 98 – „Geht nicht“ gibt’s nicht

wordcraft.at / Handelsagenten Spotlight

Oktober 2023 

Oktober 2023

 

Zwei Phrasen sind es, die im Berufsleben mein Blut in Wallung brachten und mich auch heute noch als Konsumenten unrund werden lassen.
„Das geht nicht“ und „Ich kann nichts dafür“. Hässliche, defensive Phrasen, denen die wahrscheinliche Unwahrheit aus den Augen hängt. Wie kann das sein, dass so etwas Einfaches nicht geht? Warum beteuert der Verkäufer oder die Mitarbeiterin schon präventiv ihre Unschuld, wenn ich sie noch gar nicht in die Mangel genommen habe? Was soll der Kunde mit diesen Abwehrstandards anfangen?
 

Zur ersten sei festgestellt, dass Sie – auch wenn Sie Ihrem kleinen Sohn um jeden Preis eine große Freude machen wollten – es nicht hinkriegen, morgen die Sonne im Westen aufgehen zu lassen. Das Meer in Ihren Vorgarten zu leiten – in welchem Wiener Bezirk auch immer – wird in den nächsten paar Millionen Jahren ebenfalls nicht möglich sein.Die großkotzige Überschrift stimmt also nicht immer. Ich ziehe mich auf die Behauptung zurück, dass „Das geht nicht“ dennoch bei Weitem zu oft (häufig unbedacht) als Weisheit letzter Schluss in den Ring geworfen wird. Und das ist ärgerlich.

Ein übermüdeter Kollege kommt um 10 am Abend in ein abgelegenes Hotel und möchte ein Zimmer. Geht nicht, wir sind ausgebucht.
Handelsagenten sind meist nicht mundfaul. Und wenn jetzt der Bundespräsident vorfährt und ein Zimmer braucht? Pause. Ja, wenn der Herr Bundespräsident … für den hätten wir natürlich ein Zimmer. Geben Sie das Zimmer mir, der Herr Bundespräsident ist gerade in Australien.
Ein alter Witz, der aber zeigen soll, dass es wahrscheinlich in den allermeisten Fällen einen Weg gibt Kundenwünsche unter bestimmten Bedingungen doch noch zu erfüllen.

Jeder von uns hat irgendwann jemandem erklären müssen, was nicht geht. Aber seien wir doch ehrlich, in vielen Fällen haben wir die Anstrengungen gescheut das Nichtgehende gehend zu machen. Dem Kunden aus der Patsche zu helfen, war einfach zu mühsam. Oder hat sich für uns nicht (gleich) rentiert.

Wie macht man es besser?

Die richtige Antwort ist doch: ich will sehen, ob man das hinkriegen kann, allerdings kann es sein, dass diese Bemühung etwas kostet: Zeit oder Geld oder Mühe oder Geduld. Kurzum: es kostet etwas. Häufig wäre die Antwort des Kunden: na, dann sagen Sie mir doch, w a s  es kostet meinen Wunsch zu erfüllen.
Ein junger Verkäufer eines Schuhfilialisten sagte mir einmal, was er alles tun würde, um mich zufrieden zu stellen. Ich musste als Gegenleistung nur meine Telefonnummer hinterlegen.
Er rief ein paar Kollegen an, fuhr bei der Filiale vorbei, die den Schuh in der richtigen Größe auf Lager hatte, rief mich an und machte einen Auftrag über 2 Paar Schuhe.
Er war einfach mein Held!

„Es geht nicht“ steht hingegen für Ausweglosigkeit. Wie viele Menschen würden nicht überleben, würde man in der Rettungszentrale als Arbeitsprinzip „Es geht nicht“ an der Wand picken haben.
Obwohl nun mancher Leser denkt, der hat leicht reden, der sollte einmal an meiner Stelle sein, rate ich Ihnen als Freund: sagen Sie es nicht mehr oder nur in den krassesten Notfällen. Denn das pure Desinteresse signalisierende „Das geht nicht“ können Sie nicht mehr verwenden, wenn Sie tatsächlich ein „perfekter Organisator des Kundenwunsches“ sein wollen.

Bedenken Sie immer, dass niemand mit dieser Antwort stehen gelassen werden will. Das Mindeste ist eine halbwegs angemessene Erklärung. Dann besteht nämlich noch die Chance alternative Lösungen oder Kompromisse ins Spiel zu bringen. 

Und nun zur zweiten „Unphrase“, die wir schon Dutzende Male gehört haben.

„Ich kann nichts dafür“.

Menschen, die für ein Unternehmen an der Front stehen (und sei es nur kurzfristig), sollten erkennen: in der Begegnung mit dem Kunden ist derjenige „die Firma“, der gerade zur Hand ist. Was  e r  oder  s i e  kann oder nicht kann, ob man bei ihm oder ihr laut Betrieborganisationsschema richtig ist oder nicht, interessiert weder den kaufwilligen noch den verärgerten Kunden einen feuchten Staub.
Wie vielen Mitarbeitern muss ich mein Anliegen vortragen, bis ich den finde, der sich bereit erklärt, etwas dafür zu können – wenn es ihn überhaupt gibt!
Ich bin ja nicht da, um einen Schuldigen ans Kreuz zu schlagen. Aber meinen Wunsch oder die Reklamation verständnisvoll anzuhören und dann mit Engagement die Erledigung in die Hand zu nehmen – das muss jedenfalls klaglos funktionieren. Die ständig auf der Flucht befindlichen „Wegducker“ schaden dem Unternehmen mehr als jemand, der in bester Absicht einen Fehler begeht.

Selbst Henry Kissinger „konnte etwas dafür“

Dazu eine Anekdote aus dem Buch „Staatskunst“ vom Jahrhundertpolitiker Henry Kissinger. Er war 1969 noch nicht lang Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten R. Nixon. Im Auftrag von Nixon sollte er den letzten republikanischen Vorgänger Nixons, Dwight Eisenhower, über einen geheimen Beschluss des Nationalen Sicherheitsrats informieren. Bei seinem Anruf am nächsten Tag tobte und schimpfte Eisenhower am anderen Ende der Leitung, weil er den „geheimen“ Beschluss schon in der Morgenzeitung gelesen hatte. Er machte Kissinger für die offensichtlich passierte Indiskretion verantwortlich. Dessen Verteidigung mit Bezug auf seine kurze Amtszeit und damit, dass er sein Möglichstes tue, fand vor dem alten General und Ex-US-Präsidenten keine Gnade. “Junger Mann“ belehrte er den 46Jährigen „ich möchte Ihnen einen ganz wesentlichen Rat geben. Sagen Sie nie jemandem, dass Sie nicht in der Lage sind, eine Ihnen anvertraute Aufgabe zu erfüllen“. Dann legte er auf.
Mit seinem „ich kann nichts dafür“ ist Kissinger jedenfalls an den Falschen geraten.

Damit wir uns richtig verstehen. Weder in dem ersten noch in dem zweiten Beispiel geht es um Gerechtigkeit. Es geht um das Verständnis, dass alle Unternehmen von ihren  K u n d e n   abhängig sind. Und diese rechnen fest damit für ihr Geld und ihr Vertrauen die bestmögliche Leistung erwarten zu können. Meine Überzeugung ist:  bestimmt dürfen sie das!

Darum: wo immer es freilaufende Kunden gibt, muss die passende Kundenorientierung eine Selbstverständlichkeit sein.

© Walter Krammer (wct.)
Meinungsäußerungen an den Verfasser richten Sie bitte an 
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