Nr. 52 – Sind Schachspieler bessere Unternehmer?

Meine Frage ist natürlich provokant. Ebenso könnte man fragen, ob Marathonläufer gesündere Menschen sind. Manche ja, manche nein. Aber Sie werden lesen, dass gute Schachspieler einen breiten Fächer von Eigenschaften haben müssen, ohne den auch gute Unternehmer nicht auskommen.

Kürzlich riss mich eine unauffällige Ankündigung eines Schachvereins aus meinen Gedanken. Als Kind wurde ich durch meinen Großvater für dieses merkwürdige, aber doch faszinierende schwarz-weißgerasterte Spielfeld interessiert. Eigentlich waren es aber eher die Figuren, die durch die Fantasie zum Leben erweckt wurden.
Die Meister des Spiels, die viele Züge und damit auch die Gegenzüge vorausdenken, die amateurhafte Gegner an dreißig Brettern gleichzeitig besiegen, die sich mit anderen Hochleistungsdenkern in einer Schachpartie ohne Brett und Figuren messen, weil beide den aktuellen Stand ihrer Bauern, Springer und Türme im Kopf haben – über diese Frauen und Männer erzählt man sich wahre Wunderdinge.

Seit 1500 Jahren Schach
Immer geht es dabei darum, die Kontrolle über das Geschehen am Brett und damit auch über den Konkurrenten zu haben. Das Urschach Chaturanga war in Nordindien zu Hause. Einerseits entwickelten sich verschiedene Abarten dieses Brettspiels, andererseits verbreitete es sich im Laufe der Zeit bis nach Europa, wo es ein bevorzugtes Spiel der Ritter wurde. Im 15. Jhdt. hat man in Spanien mit der Festlegung neuer Regeln den Grundstein für das uns bekannte Europäische Schach gelegt.

Mittlerweile gibt es sehr exakte Wettkampfregeln, die sogar den Standort der Schachuhr einschließen. Apropos Zeit. Für die Dauer einer Partie muss man sich die Zeit zum Überlegen gut einteilen. Scheint manchmal viel, ist aber verdammt wenig, wenn es eng wird. Der längste Zug stammt angeblich vom brasilianischen Großmeister Trois, der 1980 in Vigo 2 Stunden und 20 Minuten darüber nachdachte, wie es nun weitergehen soll.

In erster Linie Einzelkämpfer
Bei all dem kam mir der Vergleich mit Unternehmerinnen und Unternehmern in den Sinn. Nicht mit den Konzernführern. Auch ihnen würde ich eine solche Leistung zutrauen, aber sie haben eben immer eine Unzahl von Helfern zur Verfügung. Schach aber ist ein Kampf Mensch gegen Mensch. Allein am Brett, gegen einen anderen oder eine andere. Ich allein gegen alle. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Angeblich gibt es 10 hoch 43 mögliche Stellungen (das ist 1 mit 43 Nullen dahinter) in denen die 16 weißen und 16 schwarzen Steine (abzüglich der geschlagenen) einander gegenüberstehen können. Da gilt es schon einiges zu lernen bis man Weltmeister wird.
Aber auch ein Meister dieses Fachs, der viele positive Eigenschaften aufweisen muss, weiß und kennt nicht alles. Muss er auch nicht, denn natürlich ist er, wie jeder Spitzensportler, ein begabter Spezialist, immer um Höchstleistungen bemüht.

Also habe ich mich mit dem Generalsekretär des Österreichischen Schachbunds, Walter Kastner, darüber unterhalten, in welcher Beziehung ein Schachprofi wirklich exzellent sein sollte. Was jetzt kommt ist natürlich keine wissenschaftliche Abhandlung, aber glaubhaft. Verschiedene „Schachquellen“ bestätigen das.Sie werden erstaunt sein, wie sehr sich ein halbes Dutzend vornehmlich genannter Eigenschaften mit dem Anforderungsprofil eines Klein- oder Mittelbetriebsinhabers decken.

• Leidenschaft für die Sache
• Kreativität und Lösungskompetenz, das Umgehen mit ständig neuen Herausforderungen
• Motivation, die von innen kommt
• Effizienz und Zeitmanagement
• Ausdauer, Hartnäckigkeit
• Geduld damit, dass man bis zur Belohnung u.U. lang durchhalten muss
• Flexibles Planen und erfolgreiches Umsetzen

Ein Interview des deutschen Manager Magazins aus dem Jahr 2016 mit dem noch immer amtierenden Schachweltmeister, dem heute 32jährigen Norweger Magnus Carlsen,gibt einen Eindruck, wie dieser an seine Aufgabe herangeht, der Beste von allen zu sein.
Nie aufgeben. Wenn man der Beste sein will, gibt es keine Ausreden für schwache Leistungen. „Ich glaube immer an das, was ich mache“. Gesund leben und die eigenen Stärken pflegen. Und – nach Möglichkeit immer gewinnen. Er meint, das wäre die beste Motivation.

Ein paar Zahlen über Schach
Damit wird er sicher recht haben, aber nicht jeder von uns kann Weltmeister werden.Andererseits, das Trainieren der geistigen Beweglichkeit könnte auch einem Unternehmer guttun.
Der österreichische Schachbund, gegründet 1920, hat rund 300 Vereine als Mitglieder, in denen wieder rd. 8.000 Schachbegeisterte in ganz Österreich ihrem Hobby frönen. Schachklubs in Wien sind geeignete Anlaufstellen für Neulinge oder Rückkehrer zu diesem fordernden Sport.
Der Weltdachverband FIDE ist in 195 Ländern der Erde vertreten. Im Ranking liegt Österreich sowohl bei den Frauen, wie bei den Männern im vorderen Mittelfeld.
Wenn man die Zahl der Großmeister als Messlatte nimmt, sind die Großmächte im Schach

1. Russland 222
2. USA 102
3. Deutschland 99

Hervorstechend sind noch Indien (64), Ungarn (63), Spanien (58), Frankreich (53), China (48), Polen (42) oder Israel (44). Österreich kann laut Weltrangliste aktuell 10 Großmeister aufweisen.

Die Frage in der Titelzeile bleibt also unbeantwortet. Für manche ist das Schachspiel Geistestraining, für andere die willkommene Möglichkeit sich abseits der Tagessorgen in die Magie von Schwarz und Weiß zu vertiefen oder eine gute Freundschaft in niveauvoller Weise zu pflegen.