Desinteresse an Politik. Sogar bei den Parteien.

wordcraft.at / Punctum Saliens

Am 9.10.22 wird durch freie geheime Wahl ermittelt, wer in den nächsten 6 Jahren UHBP sein wird. Etwa 6 Mio sind wahlberechtigt. NEOS, ÖVP und SPÖ glänzen durch Abwesenheit.

Als Kandidat für das höchste Amt im Staat muss man am Tag der Wahl 35 Jahre alt sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und darf nie zu mehr als 6 Monaten Haft verurteilt worden sein.

Außerdem muss er/sie oder der Zustellungsbevollmächtigte 3.500 EURO erlegen und 6.000 Unterstützungserklärungen beibringen. Jeder Unterstützer muss die Unterstützung im Amt seiner Heimatgemeinde persönlich leisten, natürlich seine Identität nachweisen und im Wählerverzeichnis eingetragen sein.

Sie sehen, wie penibel darauf geachtet wird, dass das demokratische Hochamt Bundespräsidentenwahl frei von jeder Rechtswidrigkeit oder Ungenauigkeit abläuft. Wie wir aus Erfahrung wissen, kommen sogar Briefumschläge als unliebsame Störfaktoren bei Wahlangelegenheiten in Frage.

 

Durch Medienberichte sind derzeit folgende Kandidaten bekannt

A. Van der Bellen parteifrei / Bundespräsident

W. Rosenkranz LPO der FPÖ Niederösterreich

Gerald Grosz unabhängig

Michael Brunner Mitbegründer der MFG

Marco Pogo Gründer der Bierpartei

 

Unserer Aufmerksamkeit entgeht nicht, dass  nur 2 Parteien, die in einem österreichischen Parlament vertreten sind, einen Kandidaten nominiert haben. Nämlich FPÖ und MFG, die bekanntlich kürzlich in den OÖ Landtag eingezogen ist.

Den Grünen wird man nachsehen können, dass sie ihrem ehemaligen Parteiobmann keinen Konkurrenten entgegenstellen und ihm damit womöglich die Wiederwahl verhageln wollen. Sie werden ihren Wählern (lt. aktuellen Umfragen sind das 10% der Wählerschaft) dadurch kaum enorme Gewissensbisse verursachen.

Damit sind wir, in alphabetischer Reihenfolge, bei NEOS, ÖVP und SPÖ.

Bei der letzten Sonntagsfrage wurden ihnen gemeinsam etwa 62% der Wählerschaft zugebilligt. Also nicht ganz 2 von 3 Wählern. Die Umfrageergebnisse spiegeln einerseits die offenen Bekenntnisse der Befragten zur jeweiligen Partei wider, bzw. werden sie nach Erfahrungswerten und mithilfe komplizierter Rechenvorgänge zugeordnet. Meistens stimmt auch annähernd, was dabei herauskommt.

Rolle und Verantwortung politischer Parteien

Realität ist, dass sie das öffentliche Leben weitgehend (mit)bestimmen. Einerseits versuchen sie mit ihrer weltanschaulichen Prägung möglichst große Teile der Bevölkerung zu beeinflussen. Andererseits ist es ihr Bemühen Stimmung, Absicht und Verlangen eben derselben Bevölkerung zu beachten und – wenn geht – zu befriedigen. Eine klassische Wechselwirkung.

Keine Demokratie kommt ohne Parteien aus.

Aus dieser Position liegt es u.a.  in ihrer staatstragenden Verantwortung durch ihre Mitwirkung die demokratischen Mechanismen ihres Landes zu unterstützen und am Laufen zu halten. Auch wenn das Mühe verursacht und Geld kostet (nicht umsonst werden sie aus selbst beschlossenen Steuermitteln gefördert).

Der Staatsbürger hat ein verbrieftes Recht auf die Einrichtung und Organisation von Wahlen. die ihm eine eher mittelbare Möglichkeit der Einflussnahme auf das politische Geschehen geben. Das bedeutet eindeutig das Recht auf das Wählen zwischen verschiedenen Optionen. Die Vielfalt, der Wechsel, die Konkurrenz sind nun einmal maßgebliche Merkmale einer liberalen und demokratischen Gesellschaft.

Die 3 genannten Parlamentsparteien ignorieren aber diesen Anspruch. Sie lehnen es rundweg ab Kandidaten ins Rennen zu schicken und damit zusätzliche Wahlmöglichkeiten anzubieten. Vermutlich führt die Angst vor dem Ergebnis Regie.

Lieber beschneiden sie unser Recht. Nicht aktiv. Nein, sondern durch provokante Absenz.

Indem sie denjenigen ein „mach einfach was du willst, das interessiert doch uns nicht“ entgegenhalten, denen sie sonst in Wahlzeiten auf jede erdenkliche Weise ihre geeigneten oder manchmal auch weniger talentierten Kandidaten ans Herz legen. Die Frage ist spannend, ob das die Art ist, mit der sie in Zukunft auch Nationalratswahlen abhandeln werden.

Auf jeden Fall ist der Ärger der Parteianhänger vorprogrammiert.

 

Wenn nach dem 9. Oktober die Zahlen der Wahlbeteiligung und der ungültigen Stimmen vorliegen, wird es lange Gesichter geben. Das übliche Gejammer wird die Medien füllen, über mangelndes Demokratieverständnis der Bevölkerung, über die daraus entstehenden Gefahren und die Undankbarkeit der Wähler, die sich nicht einmal die Zeit für die Bundespräsidentenwahlen nehmen..

 

Ein Übriges: Man tut mit dieser Vorgangsweise aus verschiedenen Gründen Herrn Van der Bellen keinen Gefallen, selbst wenn er wieder gewählt wird.

Das kann sich der kleine Kreis von Parteifunktionären ins Stammbuch schreiben, der VdB in der NEOSÖVPSPÖ den Weg durch seine einsame Entscheidung freigeräumt hat.

 

©walterkrammer(wct)

Auf Ihre Meinung sind viele Menschen gespannt!

Mit erwartungsvollen Grüßen
– Ihr Walter Krammer

Walter Krammer Signature

5 Kommentare. Leave new

  • Andreas Dax
    9. August 2022 12:22

    Als ein kleiner Kontrapunkt zum aktuellen Blog, stelle ich mir die Frage nach den positiven Aspekten einer ausgebliebenen Aufstellung von Kandidaten seitens ÖVP, SPÖ und Neos.

    Als Quintus vor vielen Jahrhunderten seinen Bruder Cicero in Strategien und Vorgehensweisen zur erfolgreichen Kandidtatur als Konsul unterrichtete, gab er ihm u.a. einige wertvolle Tips: Die Gewinnung der Massen und Meinungsführer in allen Schichten, der bewusste Verzicht auf Positionierung bei politischen Themen sowie die Diffamierung der Konkurrenten und die zur Schaustellung der eigenen Person seien die wichtigsten Punkte im Wahlkampf.

    Wie wir wissen hat sich Wahltaktik und Wahlreklame seit der Antike nicht allzu sehr geändert, wenngleich sie vielleicht diffiziler wurde. Nun, gut oder schlecht, darüber kann man streiten, funktionieren tut sie allemal.

    Versucht man diese Strategien allerdings im Kontext der derzeit anhaltenden Dauerkrise zu betrachten (Pandemie, Krieg in Europa, Teuerung,…) so stellt sich die Frage, ob ein wochenlanger Wahlkampf diesen doch schon langjährigen essenziellen Einschnitten in unser Leben dienlich erscheint.

    Hass im Netz ist zu einem traurigen Dauerbrenner mutiert.
    Die manchmal nicht nachvollziehbare Verschwendung von Steuergeldern seitens unserer Politiker im Zusammenhang mit möglicher Korruption wird in diversen Untersuchungsausschüssen und Strafverfahren seit längerer Zeit untersucht.
    Die Spaltung unserer Gesellschaft, die durch viele kleine Brandherde laufend befeuert wird, deren Nährboden eine toxische Mischung aus fragwürdigem Politikverhalten und medialer öffentlicher zur Schaustellung ist, schreitet voran.

    Gott lob, was bleibt uns erspart, dass SPÖ, ÖVP und Neos keinen eigenen Kandidaten aufstellen! So viele potentielle Themen, die gar nicht erst an die Oberfläche gelangen, wie Wahlkampfkosten, gegenseitige Beschuldigungen, Diffamierungen. Ach ja, die FPÖ exerziert gerade vor, was uns hätte erspart bleiben können.

    Ist das Nichtaufstellen von Gegenkandidaten ein Gewinn für die Demokratie? Nein.
    Hilft es den Parteien in der eigenen Positionierung und Kommunikation von Vorhaben? Nein.
    Hilft es Gräben zuzuschütten und hasserfüllte Fronten in der Bevölkerung zu entschärfen? Definitiv!

    Dabei sollten wir es auch besser belassen und annehmen bzw. hoffen die großen Parteien haben hier mit Weitblick agiert. Ein kleiner Schritt für ÖVP, SPÖ und Neos… aber ein vielleicht großer Schritt für das österreichische Volk!

    Ich mag diesen Gedanken und wünsche mir, dass es nicht nur Hoffnung auf eine ehrlichere Politik bleibt.

    Antworten
    • Walter Krammer
      9. August 2022 12:54

      Zu den zugeschütteten Gräben: die These das politische Klima dadurch zu verbessern, dass man den Wahlberechtigten die Möglichkeit entzieht, eine Person zu wählen, die ihren eigenen gesellschaftspolitischen Vorstellungen entspricht – halte ich für anfechtbar.

      Antworten
  • es ist nicht verwunderlich, dass sich keine Kandidaten melden. Das ewige verbale „Beschiessen“ ist ja nicht nur nervig, man ist wüsten Anschuldigungen ausgesetzt. Jeder will den anderen besonders anpatzen. Reinwaschen ist schwer. Warum soll man sich das antun.
    Es entsteht der Eindruck, jeder gegen jeden aber fast niemand fürs Volk.
    Sehr gefährliches Spiel.

    Antworten
    • Walter Krammer
      9. August 2022 12:02

      Wenn man das zu Ende denkt, werden wir irgendwann ohne Politiker auskommen oder wir haben wieder welche mit schwer bewaffneter Palastgarde.

      Noch ist es nicht soweit. Derzeit kenne ich genug Menschen, die Kandidaten aus ihrer „Richtung“ unterstützen wollten. Aber die Partei ihrer „Richtung“ hat schon aufgegeben, bevor das Rennen überhaupt begonnen hat.
      Politik kann man aber nicht nur bei schönem Wetter betreiben.

      Antworten
  • René Stary
    8. August 2022 22:23

    Salve

    Die Frage einer „Bundespräsidentenwahl“ ist halt…. was macht der Typ da. Und wenn wir uns ansehen, was Herr van der Bellen machte, dann war das – freundlich und unpolitisch gesagt: „NIIIIIIXXXX“.
    (und damit ist keine römische Zahl gemeint)

    Und ich verstehe hier die Politikverdrossenheit, wenn ich mir ansehe, das unser Staatsoberhaupt mit Zigarette in der Hofburg (wie war das mit nicht Rauchen in öffentlichen Gebäuden), mit Dienstwagen hinter dem Zug fahrend jubelnd über die ökologische Bahn, und stillhaltend bei jedem Blödsinn der heute in der Politik „verbrochen“ wird, als nicht mehr ernst zu nehmender Faktor gehandelt wird.

    Wer mich kennt, der weiß, ich halte nichts von einem Herrn Grosz, oder einem Herrn Pogo und eigentlich auch der Rest ist für mich eher undenkbar.
    Was ich wählen werde? Keine Ahnung. Keiner der Kandidaten überzeugt mich, das zu sein was ich mir immer wieder in der Politik wünsche….
    eine Leitfigur wie ein Herr Kirchschläger (den ich als Kind kennenlernen durfte)
    eine Streitfigur wie ein Herr Zilk der bürgernah war
    einen Diplomaten wie Herr Waldheim den man trotz seiner fragwürdigen Geschichte die Befreiung von Österreichern aus den Händen von Saddam Hussein zu verdanken hat

    Was uns in der Politik fehlt, das sind Leute die Bürgernah handeln, die Praktisch veranlagt sind, die etwas tun und die in Zeiten wie diesen Leitfiguren sind. Menschen die für etwas einstehn, die Charisma haben.

    Das was uns ein Herr van der Bellen bietet ist leider das Bild eines „Situationselastischen und extrem geschmeidigen, um nicht zu sagen, schneckenmäßig schleimigen Pseudopolitikers der jetzt auch Bundespräsident spielen darf, damit er ja nicht auffällt“.
    Freundlich gesagt, unser Bundespräsident hat ja nicht mal viele Rechte…. aber selbst die lebt Herr Van der Bellen nicht aus.

    Daher muss man sich die Frage stellen, warum soll eine andere Partei ihm etwas entgegenstellen?
    – SPÖ? warum soll man sich noch schleimiger verhalten?
    – NEOS? können sich das nicht leisten….
    – Grüne? Warum? Er macht ja eh alles was man will
    – ÖVP? Ich glaube – wäre ich Politikberater – würde ich empfehlen, das man den BP sein lassen sollte…. es gibt genug Probleme

    Also warum sollte eine Partei das Geld aufbringen? Zumal unser Herr BP ja nicht mal einen Fernsehwahlkampf führen will?
    Und warum soll sie jemand aufstellen, der gelinde gesagt, den nächsten Wahlkampf (ich meine damit die nächste Regierung) evt. behindert?

    Außer der FPÖ und der MFG hat niemand ein vitales Interesse sich einen „komfortablen“ Bundespräsidenten der zu allem JA und AMEN sagt, aus dem Weg zu schaffen.

    Von daher, in Österreich muss noch viel passieren, damit Parteien erkennen, das Demokratie das ist, was man draus macht….

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fill out this field
Fill out this field
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
You need to agree with the terms to proceed

Schlagwörter
Bundespräsidentenwahl 2022DemokratieParteienpräsenzParteienverantwortungPolitikPolitikinteresseRechte der WählerUHBPungültige StimmenWahlbeteiligung

Newsletter

Der Newsletter ist eine kostenlose Ergänzung zum Blog und dient in erster Linie der Verbreitung von Kurznachrichten bzw. organisatorischen Mitteilungen an unsere Leser.


Beitrag teilen