Durchblick wäre gut! Aber Durchsichtigkeit immer und überall?

wordcraft.at / Punctum Saliens

Durchsichtigkeit ist die korrekte Übersetzung von Transparenz. Wollen Sie, dass alles um Sie herum für jeden durchsichtig ist? Der Staat, Ihr Arbeitsplatz, Ihr Einkommen, Ihre Familienverhältnisse? Alles und für jeden? Der Hinweis, dass dies in anderen Ländern so gehandhabt wird, ist keine ausreichende Begründung. Die gesetzliche Möglichkeit für ordentliche Gerichte sich einen solchen Einblick zu verschaffen, ist für mein Dafürhalten ausreichend. Tatsächlich gibt es immer wieder Kritik an bestehender Intransparenz, was öffentliche Angelegenheiten betrifft. Dabei wird übersehen, dass in vielen Fällen gerade erst die Diskretion dafür gesorgt hat Lösungen zu erzielen. Speziell wenn es um notwendige Kompromisse in Politik oder Gesellschaft geht.

Scholz, zum Beispiel, unter Beschuss                                                                                            Beim großen Nachbarn wurde der Regierungschef von verschiedenen Seiten gerüffelt, weil er sich in der Frage der schweren Waffen für die Ukraine „missverständlich ausdrücke“. Der Vorwurf der Intransparenz stand im Raum.

Ist für ihn auch kein einfaches Thema. Seine Partei schätzt es traditionell nicht die heiße Waffen-Kartoffel in die Hand zu nehmen. Der Umfrage, in der sogar 70% der befragten Bundesbürger dafür eintreten die Ukraine mit wirksamem Kriegsgerät zu versorgen, steht Hr. Scholz offenbar skeptisch gegenüber und bleibt vorsichtig. Kein Wunder, Umfrageergebnisse drehen sich nicht selten rücksichtslos ins Gegenteil, wenn sich die Lage ändert und – wie immer – der politische Gegner auf einen Schnitzer lauert.

Unter gegebenen Umständen im Zuge von Pressekonferenzen – wie es Transparenzanhänger offenbar erwarteten – womöglich die Ladelisten der Waffentransporte zu verlesen, ist nicht Transparenz in Richtung Bürger, sondern Schwachsinn.

Was muss die Opposition wissen?                                                                                        Gedanklich kehre ich in diesem Zusammenhang nach Österreich zurück. Seit Kurz‘ Zeiten, genauer genommen, seit der Trennung der SPÖ vom Regierungstisch, wird darüber Klage geführt, dass die Öffentlichkeit nicht wisse, wie denn die Regierung genau und im Detail zu ihren Beschlüssen komme. Viel zu wenig Transparenz herrsche da im Staat.

Interessant wäre es schon, aber ist tatsächlich schlau auf beglaubigte Mitschriften zu dringen, wenn die Regierungsspitzen ihre Beratergespräche führen? Oder von den heiklen innerkoalitionären Telefonaten? Parteien, die mit der jeweiligen Regierung zusammenarbeiten, werden wohl immer einen Informationsvorteil haben, die Gegner hingegen werden nur im notwendigen Umfang in Kenntnis gesetzt werden. Das entspricht der politischen Logik.

Wünschen kann sich ein Minister ja viel, es ist aber die Aufgabe der jeweiligen gewählten Abgeordneten über Regierungsvorlagen zu befinden. Dass dort letztlich die Mehrheiten entscheiden, gehört zum verfassungsrechtlichen Regelwerk und zum selbstverständlichen demokratischen Usus. Die Sehnsucht diesen zu ändern  halte ich in Österreich für gering. Es ist gut, wenn die daneben existierenden persönlichen Verbindungen zwischen Mitgliedern der Regierung und der Opposition verschiedene Wege der Zusammenarbeit offenhalten, aber Stoff für die täglichen Schlagzeilen sollte das nicht sein!

Heiligt der gute Zweck intransparente Mittel?                                                                        Staatsbürger wünschen sich im Normalfall (und zugegebener Weise ein wenig naiv), dass sich die besten Ideen mit dem größten nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Nutzen für die Bevölkerung durchsetzen.

Bei schwieriger Themenlage unterstützen die relevanten politischen und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen (und das sind nicht nur die Parlamentsparteien) unterschiedliche Standpunkte. Kaum erstaunlich, dass sich unter solchen Umständen vor der Gesetzwerdung Meinungsströme zusammenfinden und das nicht ausnahmslos unter Beachtung dauernder und umfassender Transparenz.

Selbstbewusste Altmeister                                                                                                            Hätten Rudolf Sallinger (Präs. WKO) und Anton Benya (Präs. des ÖGB) Anfang der 70er-Jahre Tonbandaufzeichnungen von ihren häufig unter privaten Umständen geführten Gesprächen gemacht, die später auch noch einem Untersuchungsausschuss zur Veröffentlichung gedient hätten – dann wäre der Bär los gewesen. Das berühmte Stabilisierungsabkommen (1972) der beiden wäre auf jeden Fall nicht zustande gekommen.

Der Einwand Staatsangelegenheiten seien keine Privatsache, gilt natürlich immer. Kriminelle Umtriebe in Politik und Verwaltung dürfen nicht unter der Decke der Geheimhaltung (auch nicht unabsichtlich) gefördert werden. Auch richtig.

Aber andererseits unterliegen die Akteure, ob allein oder in Gruppen, den menschlichen Erfahrungen, die sich in aberhunderten Generationen herangebildet haben. Dazu gehört eben auch der Nutzen der Diskretion, selbst wenn die Öffentlichkeit auf ihre Rechte pocht.

Wie groß dieser Nutzen ist und wie weitgehend die Diskretion sein darf oder muss, unterliegt immer einer sorgfältigen Abwägung durch die handelnden Personen. Dass Parteienwohl erst nach dem Wohl der Bevölkerung rangieren muss, ist ein rechtmäßiges Verlangen. Die vorhandene Unschärfe der jeweiligen Definitionen gehört zu den Problemen des demokratischen Systems.

©walterkrammer(wct)

Auf Ihre Meinung sind viele Menschen gespannt!

Mit erwartungsvollen Grüßen
– Ihr Walter Krammer

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2 Kommentare. Leave new

  • Walter Krammer
    22. Juni 2022 11:40

    Wie die jüngste innenpolitische Vergangenheit zeigt, unterscheidet sich die Auffassung nicht unwesentlich darüber, was großzügiger Transparenz unterliegen soll und was nicht. Wie so oft hängt es vom Standpunkt ab.
    Das Recht muss immer gelten. Es gibt jedoch viele Beispiele im Laufe der allgemeinen und der individuellen Vergangenheit, die mit weniger Buchstabentreue zu einem besseren Ergebnis für alle Beteiligten geführt hätte. Auch diese Beurteilung ist eine Frage des Standpunkts.
    Die Intention des Beitrags war die vernünftige Handhabung dieser Materie.

    Gestern (21.6.22) hat das deutsche Bundeskanzleramt (in seiner Not hinsichtlich eines Nachweises der eigenen Handlungsfähigkeit) eine penible Auflistung der in die Ukraine gesandten Waffen veröffentlicht. Schlau ist wohl anders. Aber unausweichlich, wenn jeder Staatsbürger immer auch das kleinste Detail wissen muss.
    Schluss: Weniger Transparenz erfordert mehr begründetes Vertrauen – und umgekehrt.

    Antworten
  • Andreas Dax
    22. Juni 2022 10:18

    In der Privatwirtschaft, und hier vor allem in der Führungsebene, wird in zahlreichen Trainings und Workshops die Notwendigkeit von Transparenz und offener Kommunikation vermittelt, aus einem einzigen Grund: Die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen gegenüber den Mitarbeitern zu vermitteln und dadurch ein Verständnis für eine gemeinsame Vision und ein kollektives Ziel zu erreichen. Ganz nebenbei steigert dies auch die Motivation der Mitarbeiter, wenn diese wissen wofür sie arbeiten, und warum Dinge so sind wie sie eben sind.

    Selbstverständlich, wie im Beitrag angeführt, wäre es kontraproduktiv alle strategischen Absprachen einer breiten Menge preiszugeben, dafür gibt es ja ein Management, welches sich um sogenannte ‚high level‘ Strategien bemüht, die tw. politisch kritisch sein können, daher im kleinen Kreis gehalten werden müssen. Genauso wie auch das Management nicht Interesse dafür haben sollte, wie jede einzelne Angestellte ihre tägliche Arbeit verrichtet und welcher Methoden sie sich dabei sich bedient (Stichwort „Micromanagement“).

    Was ich aber fordere ist eine Transparenz im Sinne einer bürgertauglichen und vor allem regelmässigen Kommunikation um das Volk auf dem politischen Weg „mitzunehmen“ und eine gemeinsame Vision zu definieren, die es Wert ist, der Politik Vertrauen bei der Umsetzung zu schenken.

    Leider vermisse ich genau das, ich empfehle daher unseren Entscheidungsträgern das Training „Strategische Führung von Mitarbeitern“

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