VERNETZT

wordcraft.at / Punctum Saliens
⇒ Dieser Text ist der Reihe "Handelsagenten Spotlight" entnommen

Eine Farce.

Man trifft einander auf Branchenveranstaltungen, auf Come-Togethers von Interessenvertretungen, auf Hausmessen, beim Heurigen, zu dem nur die wichtigen Leute eingeladen sind.

Wenn das Geschäft überall gut geht, kommt es selten zu tiefschürfenden Gesprächen. Jeder ist damit beschäftigt alle anderen wissen zu lassen, w i e gut das gute Geschäft läuft. Die Umsätze sind ein Vielfaches dessen, was sie noch vor 5 Jahren waren. Vor Stärke können die Herren kaum gehen.

Mittlerweile gibt es schon Experten, die branchenunabhängig, aber dringend angesichts solcher Veranstaltungen zum Vernetzen raten. Kurioserweise lesen Sie schon im Ihnen vorweg zugesandten Programm (so hieß das früher), wann es Zeit sein wird, sich zu vernetzen. Wenn es also im Zuge dieses „Events“ nichts gibt, das wichtiger wäre, wenn es keinen Keynotespeaker mehr gibt, der für ein paar tausend EURO bereit ist, den armen anwesenden Belehrungsbedürftigen die Welt zu erklären – dann dürfen Sie sich vernetzen.

In grauer Vorzeit war man froh nach ein paar Stunden hochkonzentrierter Präsenz auf unbequemen Stühlen sich am Buffet ein paar Stücke zu sichern, die die anderen übriggelassen haben. Das ist heute auch so, aber es ist unwichtig. Halten Sie Ausschau nach bedeutenden Persönlichkeiten.

Zum Beispiel nach Einkäufern, auf deren Kalendern Sie bis jetzt noch nie aufgeschienen sind. Nach siegreichen Skifahrern, prominenten Firmenbesitzern, Rechtsanwälten, Bankmanagern, Parteigrößen, kurzum Einflussreichen. Die haben sich allerdings entweder schon verabschiedet oder sie sitzen unbemerkt in einem abgeschirmten Nebenzimmer, wo sie ihre gemeinsamen Geschäfte pflegen oder andere davon abhalten.

In manchen Nischen nuckeln Menschen unbeachtet an einem Glas Wein. Lassen Sie die. Denen geht es wie Ihnen.

Auch die kleinen lautstarken Runden, in denen der alte ungustiöse Branchentratsch wieder neu aufgewärmt wird, wo die Stars der seichten Unterhaltung ihre Glanzlichter zeigen, auch die können Sie vergessen.

Die Räumlichkeiten leeren sich langsam.

Kurz vor der Garderobe aber stoßen Sie auf den unauffälligen Mann oder die dezent gekleidete Dame, der/die während des ganzen Tages aufmerksam Notizen gemacht, in der Pause offenbar mit der Firma telefoniert und bei seinen/ihren Wortmeldungen erstaunlich geerdet geklungen hat. Anscheinend haben Sie einen ähnlichen Eindruck gemacht, weil ohne viel Mühe ein konstruktives Gespräch zustande kommt. Jetzt wird der Tag doch noch richtig interessant. Es verwundert Sie auch nicht, dass ein konkreter Termin für in 2 Wochen vereinbart wird, zu dem jeder seine Gedanken für eine schnell gefundene Gemeinsamkeit mitbringen soll.

Es war die einzige Visitenkarte, die Sie heute losgeworden sind.

Aber Sie sind ja doch noch – wie es so scheußlich heißt – „am Ende des Tages“ vernetzt.

Gut so!

P.S.  Die Begabten, die ohne viel Aufhebens die menschliche Verbindung herstellen konnten, die gab es immer. Schon bevor die angeordnete Vernetzung erfunden wurde. Besser ist es einfach die eigene gute alte Kontaktfreude zu pflegen. Am Bahnsteig ebenso wie auf der Polizeidienststelle. Sie wird immer helfen.

©walterkrammer(wct)

Auf Ihre Meinung sind viele Menschen gespannt!

Mit erwartungsvollen Grüßen
– Ihr Walter Krammer

Walter Krammer Signature

3 Kommentare. Leave new

  • Andreas Dax
    14. August 2022 23:36

    Um einen Platz im Kurhotel Bad Häring zu bekommen, am wilden Kaiser mit atemberaubenden Blick über das Inntal, ist es hilfreich zu einem bestimmten Arzt ein gutes Einvernehmen herzustellen. Das habe ich mittels „Netzwerk-ing“ mit zwei Herren erfahren die dort einquartiert waren, getroffen während eines Abendspazierganges in unserem Urlaubsort – den Kontakt habe ich bereits gespeichert.

    Wo es in Winterthur das beste Lokal für original Schweizer Käsefondue gibt, weiß ich jetzt ebenso, nämlich durch ‚Netzwerk-ing‘ mit einer Schweizer Dame, die im selben Hotel urlaubte wie wir – Kontakt ebenfalls gespeichert.

    Diese beiden, und noch einige weitere positive Netzwerk-ing Erfahrungen habe ich während einiger Tage in Tirol gemacht, man glaubt es kaum, unter zu Hilfenahme meines Sprachorgans.

    Ich habe es dann noch auf die Spitze getrieben, und hatte während einer Wanderung in ca. 1500m Höhe einen Baum umarmt, also mit einem Baum ge-netzwerk-t. Der Baum hat mir gesagt: „Sei dankbar für die Natur in der du lebst, hab Respekt vor ihr, denn sie ist es wo deine Wurzeln begründet liegen und die dich am Leben erhält“.

    Ich checke meine business emails und finde eine Nachricht meines Chefs: Mein diesjähriges Ziel für neu zu entwickelnde social media Kontakte über linkedin und andere Internet basierenden Netzwerke beträgt 100. Ach wie schön, real, authentisch und gewinnbringend waren doch die Begegnungen mit realen Menschen!!

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  • René Stary
    11. August 2022 19:40

    Salve
    MITEINANDER sprechen und den RICHTIGEN finden… eine Kunst die angesichts von Smartphone, Xing, LinkedIn, Facebook und Twitter leider oftmals verloren gegangen ist.
    Früher traf und „vernetzte“ man sich am Würschtelstand, heute networked man auf Social Media 😉
    Was bin ich froh das ich heute noch die Leute am Würschtelstand treffe….nur den Würschtelstand finden ist schwer 🙂

    Antworten
    • Walter Krammer
      11. August 2022 21:05

      Es ist ja schon kurios, dass man intelligenten und im Beruf stehenden Menschen vorgibt, wann sie miteinander reden sollen. Ich hoffe doch, dass sich die meisten ohnedies nicht daran halten.

      Antworten

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